Donnerstag, 30. Dezember 2010

Alle Jahre wieder...

... kommt der 31.12. irgendwie doch überraschend schnell. Und wieder sitze ich am letzten Arbeitstag am Schreibtisch und mache noch verjährungshemmende Klagen fertig. Heute waren es drei. Und sie gingen wieder einmal sehr viel leichter von der Hand als erwartet.

Irgendwie beruhigend empfinde ich dabei, dass die Kollegen im Büro heute vergleichbare Aktivitäten entwickelt haben. Da fühle ich mich zumindest verstanden.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Generalprävention

Wenn Richter in der mündlichen Urteilsbegründung laut über die Generalprävention nachdenken, wird es oft spannend.

Heute war es ein Amtsrichter, den die Plädoyers der Verteidiger offenbar zu Überlegungen animiert hatte, ob es aus generalpräventiven Gründen nicht irgendwann einmal angemessen wäre, bei ausländischen Angeklagten, die anscheinend nur nach Deutschland kommen, um Straftaten zu begehen, auch bei Ersttätern und auch bei kurzen Freiheitsstrafen die Straf einmal nicht mehr zur Bewährung auszusetzen. "Dann könnten wir mal sehen, was dann passiert."

Mein Tipp: Eine Berufung und eine Aufhebung des Urteils wegen Verstoßes gegen § 56 I StGB. Die von ihm angestellten Erwägungen finden dort nämlich keine Stütze.

Heute war er aber nochmal gnädig und entlies den Mandanten nach Verhängung einer Bewährungsstrafe aus der Untersuchungshaft und damit nach Hause zu seiner Familie.

Na denn: Ein frohes neues Jahr allerseits!

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Präventiver Bundeswehreinsatz im Innern?

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Kirchhof macht sich aktuell Gedanken darüber, ob die Bundesewehr nicht auch im Innern eingesetzt werden sollte. Seiner Ansicht nach könnten die Streitkräfte "bestimmte polizeiliche Aufgaben übernehmen, etwa den Schutz gefährdeter Objekte". Zu diesem Zweck solle das Grundgesetz geändert werden.

Notwendig hält er das, damit der Staat effizienter auf eine neue Bedrohungslage reagieren könne, wobei er vor allem die Terrorabwehr als geeigneten Einsatzbereich sieht. Schon jetzt zulässig ist die Anforderung der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen. Hierauf nimmt Kirchhof dann auch Bezug, in dem er das Szenario eines terroristischen Angriffs auf ein Kernkraftwerk zeichnet.

Was er dabei allerdings elegant verschweigt: Nach bisheriger Rechtslage kann die Bundeswehr eingesetzt werden, nachdem eine solche Katastrophe eingetreten ist. Bei Kirchhofs Vorschlag geht es indes um ein bereits präventives Tätigwerden.

Wir reden also wieder einmal vom Einsatz des Militärs, um einem vermuteten/behaupteten Angriff zuvor zu kommen. Aber so klingt es natürlich nicht ganz so schön wie bei Herrn Kirchhof.

Montag, 13. Dezember 2010

Spannende Sachverständigengutachten

Sachverständigengutachten sind immer wieder eine spannende Angelegenheit, weil man vorher nie so genau weiß, zu welchem Ergebnis sie führen.

Im konkreten Fall ging es um einen Kaufvertrag, den mein Mandant schon bei der Polizei vorgelegt hatte und der sich recht deutlich von dem Exemplar unterschied, den der Geschädigte seiner Strafanzeige beigefügt hatte. Letzterer hatte vor einigen Verhandlungstagen in seiner Vernehmung zu der jetzt untersuchten Urkunde eindeutig erklärt, keine der drei angeblich von ihm stammenden Unterschriften auf dem Vertrag, den er auch gar nicht kenne, geleistet zu haben.

Der Gutachter sieht das indes etwas anders. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit" stammen seiner Einschätzung nach die fraglichen Unterschriften von dem Zeugen.

Bemerkenswerter Weise nahm die Staatsanwältin unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung sofort das Gespräch zu dem im Publikum sitzenden Zeugen auf. Ob sie dessen Anwesenheit zum Anlass genommen hat, ihn von dem jetzt wohl einzuleitenden Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage in Kenntnis zu setzen? Aber sollte man das schon aus Dokumentationsgründen nicht lieber schriftlich machen? Oder hat sie etwa die jetzt eingetretene Situation mit dem anzeigenerstattenden Zeugen erörtert und will gar kein Ermittlungsverfahren einleiten?

Ich werde am nächsten Verhandlungstag einfach mal nachfragen.

Freitag, 10. Dezember 2010

Alles ist relativ

Vor einiger Zeit bloggte ich bereits über meinen Versuch, für meinen inhaftierten Mandanten ein - nicht internefähiges - Laptop genehmigt zu bekommen, damit er die gut 50.000 Seiten starke Ermittlungsakte lesen kann, die auch ich schon "nur" noch in elektronischer Form zur Verfügung gestellt bekam. Die Staatsanwaltschaft hält das - wenig überraschend - für nicht machbar.

Heute lese ich heute mit großem Interesse, dass Julian Assange, einer der derzeit wohl weltweit prominentesten Inhaftierten weltweit, jetzt sogar in der JVA möglicherweise einen Computer erhalten könnte. Allerdings "mit
beschränktem Internetzugang", wie die Gefängnisleitung zitiert wird.

Internetzugang für Untersuchungshäftlinge! Allein diese Vorstellung brächte den deutschen Strafvollzug an den Rande des Zusammenbruchs. Wegen der damit nach Ansicht deutscher Gerichte verbundenen Gefahr sind Geräte, die so etwas auch nur für technisch hoch versierte Gefangene theoretisch ermöglichen könnten, in einer JVA strikt untersagt. Offenbar sind britische Untersuchungshäftlinge weitaus weniger gefährlich als ihre deutschen Leidensgenossen.

Im gleichen Artikel lese sich auch noch, Assange mache derzeit "Bekanntschaft mit der rauen britischen Gefängnisrealität". Es ist eben doch alles relativ.

Montag, 6. Dezember 2010

Tücke der Textbausteine

Vorgefertigte Textbausteine erfreuen sich gerade bei den Kollegen der "Abmahnfront" bekanntlich großer Beliebtheit. Kein Wunder, ermöglichen diese doch die "Bearbeitung" der teilweise tausenden von Verfahren. Und da es inhaltlich immer um das gleiche zu gehen scheint, kann man die jeweiligen Texte ja auch immer wieder benutzten.

Die verständlichen Rationalisierungsbemühungen führen zuweilen aber zu teilweise kuriosen Schreiben, vor allem, wenn der Inhalt der Textbausteine nicht mehr ganz zum Diskussionsstand passt. Vermutlich fällt das mangels Inhaltskontrolle des Briefes dann auch nicht weiter auf.

Hier streiten wir über die Verpflichtung des Mandanten zur Zahlung des geforderten Schadensersatzbetrages, nachdem er die urheberrechtliche Unterlassungserklärung in modifizierter Fassung bereits abgegeben hat. Zum Thema "Haftungsprivileg des Telemediengesetzes" (eine Freistellung von der Haftung) bezieht sich die Kollegin auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, respektive ihren eigenen, zu diesem Thema erstellten Textbaustein. Darin heißt es:

"Wie sich aus § 7 Abs. TMG [...] ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung. Unterlassungsansprüche bleiben von dieser Vorschrift [...] unberührt."

Irgendwie vermag mich diese Aussage nicht recht davon zu überzeugen, dass mein Mandant zusätzlich zur Unterlassungserklärung auch etwas zahlen soll.

Freitag, 3. Dezember 2010

Ausverkauf der Abmahn-Forderungen?

C-S-R gehen neue Wege, um angebliche Urheberrechtsverstöße zu versilbern.

Nachdem sich mein Mandant gegen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche in Höhe von ursprünglich € 1.005,40 zur Wehr gesetzt hat, wurden diese auf zunächst € 650,00 reduziert. Soweit, so normal. Als er sich immer noch weigerte, hieß es dann, nachdem nun die maßgeblichen Argumente ausgetauscht seien, werde man der angeblichen Rechteinhaberin die Einleitung rechtlicher Schritte empfehlen. Daraufhin bat ich, mich in diesem Fall bei Gericht als Empfangsbevollmächtigten benennen.

Während ich nun gespannt der Klage harre, werde ich allerdings erneut enttäuscht. Stattdessen kündigt man jetzt an, die angebliche Forderung "im Wege eines Forderungsverkaufs zu verwerten". Mit anderen Worten: Man "droht" nun damit, die angeblichen Ansprüche an ein Inkasso-Unternehmen oder ähnliches zu verkaufen.


Nach meiner Erfahrung zahlen solche Unternehmen ca. 10% des Nennwertes, wenn, wie hier, die Forderung noch nicht einmal tituliert ist. Das wären im aktuellen Fall also runde 100 Euro. Da frage ich mich dann schon, wie sicher man sich der Durchsetzbarkeit einer solchen Forderung letztlich ist, wenn man sie für den berühmten Appel mit dem nicht minder legendären Ei verhökert. Oder sollte das nur eine weitere Drohgebärde sein? Ganz nach dem Motto: Der Forderungskäufer wird bestimmt klagen, weil sonst der Forderungskauf sinnlos wäre?

Die Sache verspricht spannend zu bleiben!

A little bit English

Auch in Untervollmacht kann man Ungewöhnliches erleben.

Der Mandant, thailändischer Herkunft, will geschieden werden. Mit der deutschen Sprache hat er so seine Schwierigkeiten, ein Dolmetscher war jedoch versehentlich nicht geladen worden. Bemüht, die Sache doch noch über die Gerichtsbühne zu bekommen, frage ich, ob er denn englisch spreche. "Yes, a little bit".

Wie little das bit dann tatsächlich ist, macht die Sache schon fast wieder komisch: Mit viel Mühe und unter Zuhilfenahme des Passes schaffen wir noch das Geburtsdatum. Nach einigem Hin und Her versteht er auch die Frage nach dem Heiratsdatum. Eine Antwort allerdings schafft er schon nicht mehr. Hier endet dann auch die Geduld des Gerichtes und es wird ein neuer Termin vereinbart. Diesmal mit Dolmetscher. Hoffentlich...