Mittwoch, 23. November 2011

Der "Staatstrojaner" hat jetzt ein Aktenzeichen

Einige Tage herrschte Unklarheit, jetzt ist es amtlich: Die Strafanzeige des Landesverbandes Hessen der Piratenpartei wegen des sog. Staatstrojaners ist bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden angekommen und hat ein Aktenzeichen erhalten. Als Beschuldigte listet die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Volker Bouffier, das Innenministerium sowie DigiTask auf. Besonders bemerkenswert ist aber folgende Ergänzung:
"§ 999 BDSG Straftat nach dem Bundesdatenschutzgesetz"
Da scheint mein Gesetzestext zum BDSG offenbar ziemlich veraltet, endet er doch bei § 48. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sich die Anzeige eigentlich zentral auf §§ 202a-c StGB stützt. Mal sehen, wie das weitergeht.

Sonntag, 20. November 2011

Unerwünschte Kunst im Schlosspark


In einem Strafverfahren sieht man sich zuweilen mit eher exotisch anmutenden Rechtsgebieten konfrontiert. Jedenfalls hätte ich nicht erwartet, mich in einem Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Sachbeschädigung mit dem KunstUrG beschäftigen zu müssen. Auf das hatte sich ein Polizeibeamter berufen, der bei einer Räumung im mittlerwehile berühmten Stuttgarter Schlosspark meinem Mandanten unsanft dessen Handy entrissen hatte, mit dem dieser den Einsatz filmte. Er habe den Eindruck gehabt, er werde direkt gefilmt, also quasi portraitiert, rechtfertigte sich der Beamte. Das stelle einen Verstoß gegen dieses Gesetzes dar, gegen den er sich mit dem Einsatz einfacher Gewalt habe zur Wehr setzen dürfen. Das Widersetzen meines Mandanten gegen diese Gewalt war Gegenstand der Anklage.

Die Gewalt des Polizisten hätte er sich indes klag- und wehrlos gefallen lassen müssen, meinte die Stuttgarter Justiz. Die Hand an einen Polizisten zu legen, das gehe nun einmal nicht, da waren sich der Beamte sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft einig. Selbst wenn mein Mandant, wie er beteuerte, den Polizisten nicht als solchen erkennen konnte, weil dieser sich von hinten genähert habe. Eine Rechtsauffassung, die dem Gericht so plausibel erschien, wie sie mich überraschte. Wie soll dann der Polizist gefilmt worden sein können? Wozu haben wir dann das schöne KunstUrhG gebraucht?

Zum Spruch kam es glücklicherweise dennoch nicht, da wir uns auf eine Einstellung einigten, nachdem sich u.a. herausgestellt hatte, dass mein Mandant letztlich zufällig dort war. Ob das auch geklappt hätte, wäre er ein sog. „Parkschützer“ gewesen?

Jedenfalls hoffe ich, dass sich die in der Hauptverhandlung dargelegte Rechtsauffassung nicht durchsetzt. Allein schon, weil es schade wäre, nie wieder was vom KunstUrhG zu lesen…

Freitag, 11. November 2011

Iranische Geschäftsgepflogenheiten?

Der Zeuge ist nach eigenem Bekunden iranischer Geschäftsmann. Unter anderem kaufe man Immobilien. Entsprechend war auch sein Auftreten: edler Anzug, dezenter Goldschmuck, die Uhr aus einem der bekannten Fabrikationshäuser, zwar deutlicher Akzent, dennoch betont gute Sprache.

Überhaupt nicht zu diesem Eindruck passen wollte dann aber das, was er uns darüber erzählte, wie er mit seinem Schwager, dem in Teheran lebenden Geschäftsführer der GmbH, diese Immobiliengeschäfte angeblich betreibt: Ohne Vorlage eines Exposés, ohne Darstellung der Rentabilität, lediglich aufgrund eines Fotos und des Kaufpreises fliegt man demnach schon mal von Teheran nach Frankfurt, um sich dort die Immobilie anzuschauen. "Man muss das Objekt sehen, nur dann kann man entscheiden." Ah, ja...

Den Begriff "Rentabilitätsfaktor" kannte er nicht. Auch nach Beschreibung, was wir damit meinten, zuckte er nur mit den Schultern. Wirtschaftlichkeitsberechnungen braucht er angeblich auch nicht. Soso...

Das ganze wird verständlich, wenn man den Hintergrund der Anklage kennt: Mein Mandant soll auf Basis von Scheinrechnungen, denen keine reele Leistung zu Grunde gelegen habe, gegen die GmbH vorgegangen sein. Diese Rechnungen bezogen sich, der Leser wird es bereits antizipiert haben, auf Dienste im Zusammenhang mit beabsichtigten Immobilienkäufen. "Dazu wurde uns aber nur ein Bild und ein Kaufpreis genannt, mehr haben wir nicht bekommen. Nachdem wir uns die Objekte angeschaut hatten, haben wir Abstand von einem Kauf genommen."

Nach einigem Nachfragen war für alle Verfahrensbeteiligte recht schnell klar: Das war alles andere als überzeugend. Oder wie die Richterin anmerkte: "Ich weiß nicht wie das im Iran so ist, aber in Deutschland muss ich dafür bezahlen, wenn ich Dienstleistungen in Anspruch nehme." Die Vorstellung, ohne hinreichende Informationen Objekte im Wert von zwischen 20 und 40 Mio. Euro kaufen zu wollen und deswegen auf gut Glück nach Deutschland zu reisen, schaffte auch die Staatsanwältin nicht.

Einhellige Konsequenz: Freispruch. "Erster Klasse", wie die Richterin in der Begründung meinte. "Nicht zweiter Klasse, wie bei Herrn Kachelmann."

Nachtrag:
Zugegeben, da mögen im Eifer des Gefechts einige Infos rund um den Fall außen vor geblieben sein. Dazu hätte ich zweifelsohne Näheres darstellen können, ein Versäumnis, für das ich mich entschuldige und verspreche, in Zukunft noch mehr darauf zu achten, dass mir solche Unklarheiten nicht mehr unterlaufen.

Aber bei allem Verständnis für die Kritik in den Kommentaren: Rassistisch ist der Post nun wirklich nicht. Zunächst steht die Überschrift mit einem "?" Der Bezug zum Iran ergab sich vor allem daraus, dass eben die Richterin anmerkte, dass sie über die entsprechenden Verhältnisse in diesem Land nichts wisse, was ich als die in der Überschrift gefasste Frage interpretiert hatte. Wer den gesamten Artikel gelesen hat, dürfte daneben erkennen, dass ich weniger den Iran oder die Herkunft des Zeugen sondern ganz gezielt seine - höchstpersönliche! - Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen habe. Gerade weil ich davon überzeugt bin, dass Immobiliengeschäfte überall auf der Welt mehr oder weniger gleichartig ablaufen, jedenfalls aber nicht so, wie der Zeuge im Rahmen seiner Aussage versuchte, uns weiß zu machen. Und da hilft dann eben nicht, wenn man wie ein internationaler Immobilienhändler auftritt.

Dienstag, 18. Oktober 2011

Sparen am Rechtsstaat

Am gestrigen sechsten Hauptverhandlungstag eines alles in allem bislang "friedlichen" Strafverfahrens war es nun doch so weit: Der Ton wurde rauer. Zugegebenermaßen trage auch ich meinen Anteil daran. Weil ich es einfach nicht mehr akzeptieren kann, dass mein Mandant nach einem Jahr Untersuchungshaft seit jetzt mehr als einem Monat in verschiedenen Haftanstalten im sogenannten "Zugang" verbringen muss, seine "Habe" einschließlich Kleidung, kosmetischer Artikel, etc. seither nicht mehr gesehen hat und er in der ganzen Zeit sage und schreibe zweieinhalb Stunden die Möglichkeit bekam, sich durch Einsicht in die ihm überlassene DVD mit der eingescannten Ermittlungsakte auf die teilweise umfangreichen Zeugenvernehmungen in der laufenden Hauptverhandlung vorzubereiten. Meine darauf basierenden Anträge und Beschwerden haben daher mittlerweile einen eher bitteren Ton.

Richtig laut wurde es heute aber angesichts der Reaktion des Staatsanwalts auf einen meiner Anträge:
"Wenn sich der Staat schon zwei Pflichterverteidiger leistet, muss er halt in anderen Bereichen sparen."
Gerne. Fangen wir mit am besten den Kosten für die Untersuchungshaft an.

Montag, 17. Oktober 2011

Von Weisungsrechten, Staatstrojanern und Strafanzeigen

Heute hat der Landesverband Bayern der Piratenpartei Strafanzeige wegen der Einsätze des sog. "Staatstrojaners" erstattet. Dafür konnte er den geschätzten Kollegen Stadler gewinnen, den ich dabei unterstützen durfte.

In diesem Zusammenhang und quasi in Ergänzung zu meinen vorangegangenen Überlegungen zu diesem Thema scheint mir angebracht, über die strafrechtlich Verantwortlichen nachzudenken. Insbesondere auf Basis des bereits zitierten Artikels der Frankfurter Rundschau. Dort heißt es:
"Interne Schriftwechsel aus dem Bayerischen Justizministerium  zeigen, dass schon vor vier Jahren mit der Entwicklung und dem Einsatz  von rechtswidriger Überwachungssoftware begonnen wurde – und dass der  Staat die Kontrolle über das Programm der Trojaner  in die Hände  privater Firmen  legte. In dem Schriftwechsel zwischen Ministerium, Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten, der der FR  vorliegt, geht es  um eine Spionagesoftware, die von der Firma DigiTask  im hessischen Haiger entwickelt wurde. 
In der  „Leistungsbeschreibung“ von DigiTask finden sich alle Spionage-Funktionen, die jetzt  beim Bundestrojaner als rechtswidrig  gebrandmarkt werden: Detailliert wird etwa die „Live-Ausleitung“, des  Sprach-, Video-, und Chatverkehrs sowie der kompletten Dateiübertragung  beschrieben – also das Ausspionieren eines PC-Nutzers in Echtzeit. Ebenso die Möglichkeit des heimlichen  Hochladens weiterer Programme auf den  Rechner des Überwachten: „Update unbemerkt über den normalen  Datenstrom“. Selbst verschlüsselte Kommunikation könne man  mit einer  „Capture-Unit“ in Echtzeit ausspionieren und an einen „Recording-Server“  leiten. Mit „mobilen Auswertstationen“ und einem mitgelieferten Multimediaplayer könnten dann alle  Kommunikationsarten wie Schrift, Sprache und Videos „live wiedergegeben werden“, so die Firma."
Das alles hätten demnach Verantwortliche im Innenministerium, die OLG-Präsidenten sowie die Generalstaatsanwälte bereits von Anfang an gewusst. Schlimm, dass keiner von ihnen rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Totalüberwachung gehabt zu haben scheint. Viel schlimmer aber, dass keiner von ihnen etwas unternommen hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht all diese Punkte für verfassungswidrig erachtet hat. Gerade die Herren Generalstaatsanwälte in Bamberg, München und Nürnberg hätten aufgrund ihrer Weisungskompetenz da doch dringend tätig werden müssen.

Ein kurzer Blick in die Kommentierung zu § 13 StGB zeigt, dass man hier ohne großen argumentativen Aufwand durchaus von einer strafrechtlichen Verantwortung dieser Herren ausgehen kann. Die notwendige Verpflichtung, spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf die weitere Verwendung des Trojaners zu verzichten und entsprechende Anweisungen zu geben, scheint mir da aus vielen Gründen gegeben. 

So hat der Staat eine allgemeine Verpflichtung zur präventiven Vorsorge für die Sicherheit der Rechtsgüter seiner Bürger. Hieraus lässt sich zwar keine allgemeine Garantenpflicht der Mitarbeiter staatlicher Stellen zur Verhinderung von Rechtsgüterverletzungen durch Dritte ableiten; eine solche Pflicht kann sich nur im Einzelfall allerdings aus rechtlicher Pflichtzuweisung ergeben.

Genau diesen Fall einer Garantenstellung haben wir hier aber: Sowohl die Präsidenten der OLGe wie auch die Generalstaatsanwälte haben aufgrund der ihnen zugewiesenen Pflichten im Gefüge der Strafverfolgung bzw. Strafjustiz für die Wahrung der Rechtsgüter der Bürger durch die Strafverfolgungsorgane Sorge zu tragen. Dies vor allem und gerade dann, wenn ihnen positiv bekannt ist, was der Trojaner alles leisten kann und was er - jedenfalls nach der einschlägigen Entscheidung des BVerfG - tatsächlich im Rahmen der Verfassung darf. Mit Kenntnis dieser Entscheidung wussten sie, dass die Ermittlungsorgane ein Programm einsetzen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Aufgrund ihrer unstreitig sehr hohen strafrechtlichen Qualifikation mussten sie zumindest auch erkennen, dass dessen Einsatz ggf. sogar strafbar ist. In diesem Moment standen sie somit gerade wegen der ihnen durch ihre Postition zugewiesenen Aufgaben in der Pflicht, den zuvor von ihnen selbst initiierten Einsatz des Trojaners zu stoppen.

Eine Garantenpflicht ergibt sich im übrigen auch aus sog. "Ingerenz", also aus der tatsächlichen Herbeiführung einer Gefahrenlage. Die Gefahr kann nach der Rspr. des BGH durch Tun oder Unterlassen, verschuldet oder schuldlos herbeigeführt werden, rechtswidrig oder ethisch verwerflich sein. Das Vorverhalten muss allerdings zu einer Gefahrerhöhung, einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts geführt haben. Nach wohl überwiegender Auffassung setzt die Garantenstellung aus vorangegangenem Handeln eine objektive Pflichtwidrigkeit voraus. Anerkannt ist insoweit, dass die vorsätzliche Beteiligung an der Verursachung einer rechtsgutgefährdenden Lage eine Garantenstellung zur Abwendung vorhersehbarer weiter gehender Erfolge begründet.

Diesen Fall haben wir hier: Die von der Frankfurter Rundschau Benannten haben mit dem Kauf des Trojaners in Kenntnis der Tatsache, dass mit diesem weit mehr als nur die Quellen-TKÜ gemacht werden kann, eine Lage verursacht, durch die die Rechtsgüter der davon Betroffenen erheblich gefährdet wurden. Das Schaffen dieser Lage mag ursprünglich mangels Vorsatz noch nicht strafbar gewesen sein. Mit Kenntnis der Entscheidung des BVerfG war indes klar, dass jeder weitere Einsatz des Trojaners zu erheblichen und letztlich auch strafbaren Rechtsgutverletzungen der Ausgespähten führen musste.

Ich bin jetzt gespannt, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft gelangt, gerade im Hinblick darauf, dass die Herren Generalstaatsanwälte ihr Weisungs- und Direktionsrecht aus § 147 GVG nicht genutzt haben, um den Einsatz des Trojaners dann zu verhindern, als die Verfassungswidrigkeit offenbar geworden war.

Vermutlich werden sie sich spätestens jetzt wieder an dieses Direktionsrecht erinnern und die Staatsanwaltschaften anweisen, nicht zu ermitteln.

Montag, 10. Oktober 2011

Staatstrojanische Straftaten?

Auch wenn mir derzeit leider nicht die notwendige Zeit bleibt, meinen Blog hinreichend mit Beiträgen zu versehen, an der aktuellen Diskussion um den vom CCC analysierten Staatstrojaner kann ich nicht kommentarlos vorbeigehen.

Aktuell scheint festzustehen, dass jedenfalls das LKA Bayern diese Schnüffelsoftware eingesetzt hat, bei der - werkseitig sozusagen - weit mehr ausspioiert wird, als dies von Gesetzes und den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wegen zulässig wäre. In der „Leistungsbeschreibung“ des Herstellers DigiTask sollen gar alle Spionage-Funktionen detailliert erläutert sein, die jetzt beim Staatstrojaner als rechtswidrig gebrandmarkt werden, wie etwa die „Live-Ausleitung“, des Sprach-, Video-, und Chatverkehrs sowie der kompletten Dateiübertragung. Ebenso die Möglichkeit des heimlichen Hochladens weiterer Programme auf den Rechner des Überwachten. Dies soll aus Schriftwechsel zwischen Ministerium, Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten hervorgehen.

Quer durch Blogs und Presse ist die Empörung groß und das völlig zu Recht. Bemerkenswerter Weise habe ich jedoch fast ausschließlich Überlegungen zu notwendigen politischen Konsequenzen vernommen, bis hin zu Rücktrittsforderungen in Richtung verantwortliche Behördenleiter oder Minister.

Wenig beleuchtet habe ich bislang aber die strafrechtliche Seite des Vorganges gefunden. Dabei liegt das meiner Ansicht nach sehr nahe. Unterstellen wir also den Einsatz des Trojaners in der vom CCC beschriebenen Weise und werfen dann einen Blick auf §§ 202a, c StGB.
§ 202a Ausspähen von Daten
(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.
Hierzu heißt es im Tröndle/Fischer, dem Standardkommentar zum StGB: "Sichverschaffen ist gegeben bei Infizierung mit sog. Trojanern, also versteckten Programmen zur Erlangung von Informationen über Vorgänge und zur Ausspähung von Daten." Das dürfte also unproblematisch erfüllt sein.

Weiter müssen diese Daten gegen unberechtigten Zugriff besonders gesichert sein. Die besondere Sicherung kann eine solche mechanischer Art zur Außensicherung sein, wie z. B. verschlossene Räume. Dazu wissen wir nun nichts Konkretes, doch dürfte zu erwarten sein, dass die im Fall eines Trojanereinsatzes betroffenen Rechner nicht in unverschlossenen Räumen oder auf der Straße stehen dürften. Auf Basis kriminalistischer und Lebenserfahrung, die Strafjuristen bei der Frage nach dem hinreichenden Tatverdacht regelmäßig als ausreichend erachten, kann man also davon ausgehen, dass die besondere Sicherung gegen unberechtigten Zugriff vorhanden gewesen war. Zumal man sonst kaum aufwändig einen Trojaner hätte installieren müssen.

Schließlich muss der Täter unbefugt handeln. Da sich beim Einsatz eines solchen Staatstrojaners in der vom CCC beschriebenen Weise die Ermittlungsbehörden eindeutig außerhalb sie legalisierender, sprich: rechtfertigender Grenzen bewegen, handelten sie unbefugt.

In staatsanwaltschaftlicher Manier lässt sich weiter konstatieren: Der Täter handelt bewusst und gewollt. Und schon ist der Tatbestand erfüllt.

Doch auch ohne konkreten Einsatz scheinen mir strafrechtliche Erwägungen angebracht:
§ 202c Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten
(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er
1. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,
herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
Dass der Einsatz des Trojaners vermutlich unter § 202a fallen würde, haben wir gerade geklärt. Bereits das Sichverschaffen eines solchen Programmes wird hier nun ebenfalls unter Strafe gestellt, wie auch das Überlassen an einen anderen, Verkaufen oder sonst Zugänglichmachen.

Und schon wird es sowohl für die Herstellerfirma ("verkauft") aber auch für die involvierten Mitarbeiter des Ministeriums, die Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte sowie die LKA-Beamten ziemlich eng. Gerade auch die in der Presse in Bezug genommene Leistungsbeschreibung erlangt hier im Hinblick auf den Vorsatz besondere Bedeutung. Wenn dort gerade die außerhalb der Legalität liegenden Fähigkeiten des Programms angepriesen werden, fällt es doch eher schwer, ein "Wissen und Wollen" zu verneinen. Ein Jurastudent, der dies in einer Arbeit umfassender problematisieren würde, müsste sich höchst wahrscheinlich Punktabzüge gefallen lassen. Ich kenne aus meiner Praxis Fälle, in denen Strafverfolger und Gerichte auf wesentlich dünnerer Indizenlage sogar dringenden Tatverdacht für den Erlass von Haftbefehlen erkannt haben.

Nun ist natürlich einzuräumen, dass wir bislang nicht sicher feststellen können, ob dieser Staatstrojaner von DigiTask konkret eingesetzt wurde. Das festzustellen ist jedoch Aufgabe staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist jedenfalls zumindest ein Anfangsverdacht gegeben. Und der richtet sich gegen die Verantwortlichen bei DigiTask, dem bayerischen Innenministerium, den Präsidenten der und den Generalstaatsanwälten bei den Oberlandesgerichten Bamberg, München und Nürnberg sowie dem Präsidenten des LKA Bayern.

Leider bin ich nicht wirklich zuversichtlich, dass etwas geschieht. Dagegen steht die Erkenntnis vom Sozialverhalten der Krähen. Und auch die tragen bekanntlich schwarz...

Donnerstag, 15. September 2011

"Offensichtlich nicht wesensfremd"

Es gibt ihn also doch: den Gewohnheitsverbrecher, dem es in seinem Wesen angelegt ist, Straftaten zu begehen. Meint offenbar das Landgericht Frankfurt, wenn es in seinem Berufungsurteil feststellt:
"Bestätigt wird die Täterschaft des Angeklagten letztlich auch durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Vorverurteilungen des Angeklagten [...]. In beiden Fällen zeigt sich, dass der Angeklagte, der sich offenbar permanent in finanziellen Engpässen befindliche Angeklagte nicht davor zurückschreckt, diesen Zustand durch Begehung von Betrugsdelikten aufzubessern und ihm ein solches Vorgehen daher offensichtlich nicht wesensfremd ist."
Betrügerisches Verhalten als Teil des Wesens eines Angeklagten - eigentlich sollte man solche Thesen im Orkus der Geschichte vermuten, weil es meines Wissens bis heute keinerlei Untersuchungen gibt, die das belegen. Aber es macht die Begründung so schön einfach, also hält sich so ein Vorurteil hartnäckig wie Rotweinflecken.

Ich nenne solche Entscheidungen übrigens "Bildzeitungsurteile". Denn garniert mit solchen "Volksweisheiten" erinnert es mich an die Serie des berühmt-berüchtigten Blattes mit "Volks-Computer", "Volks-Auto", etc..

Bei der Revisionsbegründung habe ich mich gefragt, ob dann nicht bei der Strafzumessung darüber nachgedacht werden müsste, dass der Täter, wenn die Straftat in seinem Wesen liegt, letztlich doch nichts dafür kann? Warum erörtert das Gericht konsequenter Weise nicht, ob eine Strafmilderung nach § 21 StGB angebracht wäre? Im Gegenteil: Die Vorstrafen werden natürlich auch noch strafschärfend berücksichtigt - hier aber ohne die Erkenntnis, dass es doch im Wesen des Verurteilten liegen soll.

Also habe ich wieder einmal eine Revision geschrieben, die wenn überhaupt sicher nicht aus diesem Grund erfolgreich sein wird. Aber das ist glücklicherweise nicht das einzige, das ich zu bemängeln habe.

Jetzt überlege ich, wie ich mich bei der nächsten Verhandlung vor dieser Kammer verhalte. Ironie des Schicksals: Ich darf den gleichen Mandanten verteidigen. Vor einer Kammer, die ihm bereits bescheinigt hat, dass ihm Betrugsdelikte nicht wesensfremd seien. Da werde ich zur Vorbereitung der Verhandlung wohl nochmal intensiv die Befangenheitsfrage durchdenken müssen...

Dienstag, 6. September 2011

BGH hebt das Urteil gegen Karlheinz Schreiber auf

Es will kein Ende finden: Das juristische Tauziehen um den früheren Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber geht in die nächste Runde.

Heute hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Augsburg auf. Dieses hatte Schreiber zu 8 Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Gegen dieses Urteil hatten sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.

Die Bundesrichter bemängelten, das Landgericht habe nicht hinreichend geprüft, ob Schreiber seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich noch in Deutschland gehabt habe, was Voraussetzung für eine Steuerpflicht und damit auch für die Annahme einer Steuerhinterziehung sei. Zugleich hält es der BGH für möglich, dass auch eine Strafbarkeit wegen der Bestechung des seinerzeitigen Staatssekretärs Holger Fahls in Betracht komme und diese nicht, wie das Landgericht angenommen hatte, verjährt sei.

Ring frei zur nächsten Runde.

Montag, 5. September 2011

"Rechtsstaat heißt: Der Staat hat immer recht!"

Heute hatte der Kollege in unserem Büro erstmals mit dem Richter zu tun, über den ich hier schon ob seiner nahezu hellseherischen Fähigkeiten bei der Wahrheitsfindung berichtet habe. Und er erlebte ähnliches:

Die Verhandlung drehte sich um die Frage, ob der Angeklagte derjenige ist, der Polizeibeamte verbal und unter Einsatz seines Mittelfingers beleidigt haben soll. In der Ermittlungsakte findet sich ein Video, das den Vorfall anschaulich dokumentiert mit bemerkenswert scharfen Bildern. Weiter findet sich dort eine Kopie des Führerscheins des Angeklagten. Die Bilder gab mir der Kollege im Vorfeld schon zur Ansicht, nachdem ich ihn seinerzeit auf meine Erfahrungen mit Herrn Richter am AG B. aufmerksam gemacht hatte. Auf den ersten Blick fand sich allenfalls eine sehr weit entfernte Ähnlichkeit. Bei genauerer Betrachtung fanden sich eine Vielzahl von nicht zusammenpassenden Merkmalen: Wo der Angeklagte deutliche Geheimratsecken sein Eigen nennt, zeigt das Bild einen Menschen mit vergleichsweise tiefer Stirn und gradem Haaransatz. Die Gesichtsform will auch nicht recht passen, etc.

Selbst die anzeigenerstattenden Polizisten mussten in der Hauptverhandlung einräumen, der Täter habe damals doch irgendwie anders ausgesehen. Und nach einem erste Blick auf die Videoprintouts stellte auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft fest: "Das ist doch nicht der Angeklagte!" Sie beantragte später dann auch konsequenter Weise Freispruch. Angeregt durch meine Warnungen stellte der Kollege vorsorglich auch noch einen Beweisantrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachten.

Doch so leicht lässt sich Herr Richter am AG B. nicht unterkriegen. Anthropologisches Sachverständigengutachten? Wozu? Das kann er selbst beurteilen und zwar besser als alle anderen. Folglich, der geneigte Leser ahnt es bereits, verurteilte er den Angeklagten kurzerhand wegen Beleidigung. Nicht ohne den Hinweis, dass man sich bei ihm auch schnell mal verpokern könne, wenn man schweigt.

Der Kollege hat selbst heute Abend noch eine ziemlich schlechte Laune. Da halfen alle Beschwichtigungsversuche und Hinweise auf die vernünftige Berufungskammer, die für Herrn B.'s Urteile zuständig ist, nicht.

Sein Tagesmotto: siehe Überschrift.

Dienstag, 30. August 2011

Brutalstmögliche Aufklärung

Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat sein politisches Handwerk ganz offenkundig unter unserem Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gelernt. Koch hatte der politischen Welt u.a. gezeigt, wie man skandalträchtige Vorgänge einer "brutalstmöglichen Aufklärung" zuführt. Was sich im Ergebnis nur als neuer Spruch einer altbekannten Methodik herausgestellt hat: "Tarnen und täuschen" würde es der Volksmund ausdrücken.

Aktuell wird diese "Aufklärungsmethode" im Zusammenhang mit der so genannten "Servergate"-Affäre angewandt. Die hessische SPD hatte im Landtag die schwarz-gelbe Landesregierung um Erklärungen gebeten und einen Katalog Fragen dazu gestellt, deren Antworten Herr Hahn vergangene Woche vorgelegt hat.

Darin behauptet er, aus einem Schreiben der französischen Ermittlungsbehörden an das BKA gehe hervor, dass ein Angriff auf das automatisierte Datenverarbeitungssystem des Energieunternehmens erwartet wurde.

Insbesonder zu dieser Aussage hat heute der Vorstand der von der Durchsuchung betroffenen Piratenpartei heute Stellung genommen. Darin heißt es:
"Tatsächlich sind in diesem Schreiben keinerlei Hinweise auf den angeblich bevorstehenden Angriff enthalten. Vielmehr fand der Angriff, der sich außerdem ausschließlich gegen die Webseiten des französischen Energieversorgers EDF und nicht gegen kritische Infrastruktur der von ihm betriebenen Atomkraftwerke richtete, bereits über einen Monat vor der Durchsuchung statt.
Der Justizminister will offenbar eine Eilbedürftigkeit vortäuschen, die tatsächlich weder vorlag noch von der ermittelnden französischen Staatsanwaltschaft behauptet wurde. Das ist doppelt skandalös: Einerseits, weil hier das Parlament gezielt falsch informiert wird. Andererseits, weil das Justizministerium versucht, Fehler der Justiz zu kaschieren, statt Aufklärung zu betreiben."
Hinter dieser Frage bzw. der ministeriellen Antwort steht die von den Piraten erhobene Rüge, entgegen der Behauptung im Durchsuchungsbeschluss habe keine Eilbedürftigkeit bestanden. Mit der angeblichen Flüchtigkeit der Daten im Netz hatte der Durchsuchungsbeschluss begründet, warum nicht auf das bereits angekündigte Rechtshilfeersuchen gewartet werden könne. Da dies allerdings rund einen Monat nach der in Rede stehenden DDoS-Attacke irgendwie nicht so recht überzeugend klang, brauchte man wohl eine andere Erklärung. Vermutlich hat man in der Ermittlungsakte keine gefunden. Also baute man sie sich in einem kleinen Nebensatz zusammen.

Mal gespannt, ob sich die SPD das gefallen lässt. Und wie Herr Hahn dann wohl reagieren wird?

Ich wage mal einen Tipp: Vermutlich wird er sich auf einen Übersetzungsfehler berufen. Schließlich handelt es sich um ein Schreiben in französischer Sprache. Auch wenn es in der Akte vom BKA übersetzt worden war.

Dienstag, 23. August 2011

Verspätung dank Untersuchungshaft

Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr dient bekanntlich der Sicherung der Hauptverhandlung. Ob die Annahme der Fluchtgefahr immer begründet ist, darüber ließe sich sicherlich ein eigenes Blog betreiben. Gerade wenn der Beschuldigte ausländischer Herkunft ist, wird da nach meinem Eindruck nicht mehr lange nachgedacht, sofern nicht sicher absehbar ist, dass maximal eine Geldstrafe zu erwarten steht.

Dass die Untersuchungshaft aber auch zu einer Verzögerung im Verfahren führen kann, durfte ich gestern auf recht ungewöhnliche Weise erleben: Der für 9:30 Uhr terminierte Beginn der Hauptverhandlung musste mehrfach nach hinten verschoben werden, weil mein Mandant nicht da war. Die JVA hatte schlicht und ergreifend vergessen, seinen Transport zu organisieren. Und so begannen wir erst um 13:00 Uhr.

Was mich zu der Anmerkung veranlasste, dass wir das Ganze nur der Anordnung der Untersuchungshaft zu verdanken haben. "Hätten Sie den Haftbefehl auf meinen Antrag hin aufgehoben, hätten wir ohne Verzögerung anfangen können. Mein Mandant wäre pünktlich da gewesen."

Die Reaktion war, sagen wir: indifferent.

Freitag, 22. Juli 2011

"Kontraste" zur Abmahnindustrie

Mit den Geschäften der Abmahnindustrie hat sich jetzt auch das ARD-Magazin Kontraste befasst. Dabei kommen die Journalisten zu dem Ergebnis, dass die dabei stattfindenden IP-Ermittlungen alles andere als zuverlässig und in Folge dessen auch eine ganze Reihe von Abmahnungen unberechtigt sind. Der Beitrag ist sowohl in Wort als auch Bild verfügbar.

Hoffentlich schauen sich den auch die mit den Urheberrechts-Verfahren befassten Richter einmal in Ruhe an. Und denken vielleicht über ihre Interpretation der Beweislast in solchen Rechtsstreiten nach. Dieser Punkt kam bei Kontraste nämlich leider viel zu kurz.

Donnerstag, 21. Juli 2011

Servergate update

Servergate geht in die nächste Runde. Jetzt gab es Akteneinsicht. Und diese bestätigt alle Befürchtungen:

Zum Zeitpunkt des Beschlusses am 19.05.2011 lag lediglich ein Schreiben der ermittelnden französischen Staatsanwältin an das Bundeskriminalamt vor, in dem sie es für unabdingbar erklärt, für den in Rede stehenden Zeitraum "Auszüge (vermutlich Logfiles) der die Gemeinschaftsplattform http://piratenpad.de/greenrights ... sowie eine Kopie des betroffenen Servers zu erhalten." So lautet jedenfalls die Arbeitsübersetzung des BKA. Eine Übersetzung durch einen amtlich bestellten Übersetzer hat man sich gespart. Die Sache war ja eilbedüftig, nachdem seit der in Rede stehenden DDoS-Attacke ja bereits knapp ein Monat verstrichen war...

Der Text ist ganze 13 Zeilen lang, einschließlich der Zusicherung, dass ein Rechtshilfeantrag gefertigt werden wird ("sera faite à bref délai à cette fin").

Das war's. Mehr lag dem Gericht nicht vor, außer einer längeren Aktennotiz des sachbearbeitenden BKA-Beamten darüber, was ein DDoS-Angriff ist und wie er im konkreten Fall von "Anonymous" geführt worden sein soll. Interessant ist allenfalls noch die Feststellung des ermittelnden Beamten, dass nicht beurteilt werden könne, ob die Piratenpartei kooperativ auf eine polizeiliche bzw. staatsanwaltschaftliche Anfrage um Herausgabe möglicherweise beweisrelevanter Daten reagieren würde. Daher sei der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss zu beantragen.

Das Rechtshilfeersuchen selbst, dass sich dann ausführlich mit den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten auseinandersetzt, wurde erst am 23.05.2011 verfasst und lag soweit ersichtlich erstmals am 28.05.2011 in übersetzter Fassung vor. Zur Erinnerung: Der Beschluss erging am 19.05.2011.

Gedanken darüber, ob die DDoS-Attacke überhaupt nach deutschem Recht strafbar ist, hat sich bislang noch niemand gemacht. Dabei scheint mir das äußerst zweifelhaft. Aber das ist einen separaten Post wert...

Ergänzung:
Da es offenbar auch im Zusammenhang nicht jedem klar wird, sei darauf hingewiesen, dass es in diesem Post nur um das Servergate-Verfahren und den Inhalt der dazugehörigen Akte geht. Dies gilt auch für den letzten Absatz.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Kulanz

Mein Mandant hatte Post bekommen von der nicht ganz unbekannten Kanzlei KSP in Hamburg. Es soll wieder mal zu einer Urheberrechtsverletzung gekommen sein, diesmal aber an Texten der dapd nachrichtenagentur GmbH. Die sollen auf einer Seite aufgetaucht sein, die mein Mandant betreibt.

Soweit ich das mit dem Mandanten nachvollziehen konnte, ging es wohl um den Eintrag eines unbekannten Nutzers aus dem Jahr 2007. Also sehr lange her. Zu lange, wie ich fand und erhob den Einwand der Verjährung.

Heute nun teilen die Kollegen von KSP mit, ein Eingehen auf meine Ausführungen erübrige sich, da die Nachrichtenagentur von einer Weiterverfolgung der Ansprüche absehe. Aus Kulanz, wie es heißt.

"Ja, nee, is klar!", würde Atze Schröder da vermutlich sagen...

Dienstag, 5. Juli 2011

Ungeliebte Schmutzwäsche

Sachen gibt's, die gibt es eigentlich gar nicht:

Da ruft die Noch-Ehefrau meines Mandanten an, wegen des Schriftsatzes Ihres Rechtsanwaltes. Den habe ihr Mann ihr am Wochenende gezeigt und mit dessen Inhalt sei Sie überhaupt nicht einverstanden. Leicht verwirrt aber doch auch schmunzelnd weise ich sie darauf hin, dass sie jetzt aber mit dem Anwalt ihres Mannes spricht und das doch wohl eher dem Kollegen, den sie beauftragt hat, erzählen solle.

"Ich hab' ihm doch von Anfang an gesagt, dass ich auf gar keinen Fall schmutzige Wäsche waschen möchte!" Sie wolle wissen, ob man die Scheidung nicht auch ohne ihren Anwalt machen könne.

Das soll sie jetzt mal schön mit dem Kollegen klären. Zumal der bislang eigentlich solide Arbeit gemacht hat. Und der mir daher auch doch irgendwie Leid tut.

Andererseits beruhigt es mich, dass auch andere hin und wieder ähnliche Probleme mit Mandanten haben...

Dienstag, 21. Juni 2011

Innenminister, Mindestdatenspeicherung und das GG

Laut Telepolis und Gulli plädieren nunmehr auch die Innenminister der rot-grün-regierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg für die Wiedereinführung einer sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung. Im schönsten Orwellschen Neusprech soll das Kind aber einen neuen Namen bekommen und künftig "Mindestdatenspeicherung" heißen.

Dies macht deutlich, wo die Reise hin soll: Zu einer möglichst noch längeren Speicherfrist (Mindestvorratsspeicherung). Was jedoch die Frage aufwirft, ob die Herren das Urteil des BVerfG zur VDS gelesen haben. Dort heißt es eindeutig, eine Speicherungsdauer von sechs Monaten sei angesichts des Umfangs und der Aussagekraft der gespeicherten Daten sehr lang und liege an der Obergrenze dessen, was unter Verhältnismäßigkeitserwägungen rechtfertigungsfähig sei.

Die Tatsache, dass während der Geltung der Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote gerade von sog. "Internetstraftaten" keineswegs gestiegen, vielmehr sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen deutlich gesunken ist (siehe hier), wird bei dieser Diskussion ja schon von jeher ignoriert. Interessant wird es aber, sollte die MDS eingeführt und dann von Karlsruhe überprüft werden. Die Verfassungshüter hatten die Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs im vergangenen Jahr sehr deutlich gemacht. Wenn im Gegenzug die Tauglichkeit für den behaupteten Zweck Zweifeln begegnet, dürfte dies die Vereinbarkeit einer solchen Maßnahme mit dem Grundgesetz kaum verbessern.

Gleichwohl zeigt die Forderung eine gewisse Resistenz deutscher Innenpolitiker gegen Feststellungen des BVerfG. Zugleich erwecken sie wieder einmal den Anschein, dass in ihren Ministerien das Grundgesetz immer weniger als Maß aller Dinge, vielmehr zunehmend als hinderlich empfunden wird. Was aber sicherlich ein falscher Eindruck ist, schließlich ist die Bundesrepublik ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat. Honi soit qui mal y pense...

Freitag, 17. Juni 2011

Base, die zweite...

Das ging ja schneller als gedacht: Auf mein Schreiben von gestern (siehe hier) habe ich gestern Abend, 22:31 Uhr, schon die Antwort des Kundendienstes von Base erhalten:
"Die Qualität unseres Kundenservices nehmen wir sehr ernst. Es beunruhigt uns daher, wenn Ihre Erfahrungen mit unserer Hotline negativ waren.

Im Nachhinein lassen sich die Inhalte der von Ihnen geschilderten Telefonate leider nicht mehr nachvollziehen. Bitte seien Sie versichert, dass Kundenservice und fachlich korrekte Auskünfte unser oberstes Ziel sind. Manchmal kommt es zu Missverständnissen, aber wir arbeiten daran, dass so etwas die Ausnahme bleibt. Selbstverständlich werten wir diesen Vorgang intern entsprechend aus, damit ähnliche Missverständnisse in Zukunft vermieden werden können.

Ihrem Wunsch haben wir gleich Taten folgen lassen und die Internet Flat L nach Nutzung des Probemonats zum 14. Juli 2011 abgeschaltet. Für den ersten Monat erhalten Sie mit der Rechnung Juni eine Gutschrift über EUR 15,- die jeweils anteilig berechnet werden. (...)"
Was heißt hier, man könne die Inhalte der von mir geschilderten Telefonate nicht mehr nachvollziehen? Es war nur ein Gespräch und das wurde doch ausdrücklich aufgezeichnet! Also eine vorbereitete Antwort-Mail auf Beschwerdeschreiben. Man weiß also, dass Beschwerden in diese Richtung kommen und fängt die dadurch ab, dass man einen Rückzieher macht.

Das habe ich doch schon mal erlebt: Hat nicht der Kollege Olaf Tank mit seinen Mandanten genau das gleiche gemacht? Und haben nicht die Gerichte irgendwann aus dieser "Rückzieher-Taktik" darauf geschlossen, dass man wusste, dass hier etwas nicht in Ordnung ist?

Da frage ich doch gleich nochmal nach, was denn nun mit dem aufgezeichneten Telefonat ist.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Heute: Base

Vor einigen Tagen erhielt ich einen Anruf von Base: Ob ich nicht einen Monat kostenfrei den tollen neuen Internetzugang ausprobieren wolle, den man jetzt anbiete. Da wurde ich neugierig. Nicht auf den Zugang, den ich bei der Konkurrenz bereits nutze. Sondern darauf, wie das Gespräch läuft und was dabei rauskommt. Man hat von Mandanten ja schon die tollsten Sachen gehört.

Also habe ich nachgefragt: Ob das denn nicht ein Vertragsangebot sei, bei dem lediglich der erste Monat kostenfrei angeboten werde, danach aber für eine feste Laufzeit ein monatlicher Betrag. Nein, nein, wurde mir versichert, ich könne nach Ablauf des Testmonats selbst entscheiden, ob ich das weiter nutzen wolle, dann würde ein Vertrag gemacht mit einer zusätzlichen Gebühr von € 15,00. Und auf ausdrückliche Nachfrage: Selbstverständlich nur, wenn ich das dann aktiv bestelle.

Und dann (aber wirklich erst dann) fragte die nette Dame noch, ob ich denn einverstanden wäre, wenn das Gespräch aus Gründen der Qualitätssicherung aufgezeichnet würde. Ahnend, was jetzt kommt, fand ich das sogar eine richtig gute Idee.

Sie begann: "Sie möchten also die Option Internet Flat L dazubuchen für monatlich € 15,00, wobei der erste Monat kostenfrei ist."

Ich: "Nein."

Sie: "Äh, bitte?!"

Ich: "Sie haben mir angeboten, diese Option einen Monat lang kostenlos zu testen und danach zu entscheiden, ob ich diese dazubuchen möchte. Ich hatte ausdrücklich gefragt, ob Sie einen Vertrag anbieten, bei dem nur der erste Monat kostenlos ist. Das hatten Sie verneint und versichert, ich dürfe das einen Monat testen. Damit hatte ich mich einverstanden erklärt. Einen Vertrag möchte ich jetzt keinen schließen."

Sie: "Äh, ja, gut. Das meine ich ja. Dann lasse ich ihnen eine entsprechende Bestätigung per eMail zukommen. Sobald sie diese haben, sind sie freigeschaltet und können unbegrenzt mobil surfen."


Heute nun bekam ich die angekündigte eMail. Mit folgendem Inhalt:

Sie möchten jederzeit mobil mit Ihrem Handy im Internet surfen oder E-Mails lesen? Dann haben Sie die richtige Entscheidung getroffen!

Die Option (Zusatzdienstleistung) Internet Flat L haben wir heute für Sie gebucht. In ca. 48 Stunden steht sie Ihnen zur Verfügung.

Hier das Wichtigste zu Ihrer neuen Option im Überblick*:

-   mobiler Internet-Zugang für Ihr Handy oder Ihren Laptop
-   unbegrenztes Surfen auf allen Internet-Seiten und im BASE Portal
-   nur Euro 15,00 monatlicher Grundpreis
-   6 Monate Laufzeit, automatische Verlängerung um 3 Monate, falls die Option nicht 2 Wochen vor Ende
    schriftlich gekündigt wird

Und das Beste: Im ersten Monat nutzen Sie Ihre neue Option kostenfrei!

Wenn Sie noch einmal alle Details zur Internet Flat L nachlesen wollen: www.base.de - dort finden Sie auch die Preisliste."

Das hat mich zu folgender Antwort veranlasst:
"Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Verwunderung habe ich Ihre unten anhängende eMail heute erhalten. In dieser bestätigen Sie mir die Buchung einer Zusatzleistung (Internet Flat L) mit einer angeblichen Vertragslaufzeit von sechs Monaten und monatlichen Kosten von € 15,00, wobei der erste Monat kostenfrei sein soll.
 
Derartiges habe ich nicht gebucht. Zwar wurde ich von einer Ihrer Mitarbeiterinnen in den vergangenen Tagen angerufen. Diese bot mir jedoch an, den mobilen Internetzugang einen Monat lang kostenfrei zu testen und nach Ablauf dieses Monats zu entscheiden, ob ich den Service weiter nutzen wolle, dieser werde dann monatlich € 15,00 kosten. Ausdrücklich habe ich nachgefragt, ob es sich um ein Vertragsangebot handle, bei dem der erste Monat kostenfrei sei. Dies wurde ausdrücklich verneint.

Insoweit beziehe ich mich auf den Mitschnitt des Gespräches, das „zur Qualitätskontrolle“ aufgezeichnet wurde. Da ich schon von mehreren Mandanten erfahren habe, dass wiederholt falsche Zusicherungen anlässlich derartiger Gespräche gemacht wurden, habe ich sogar ausdrücklich auf dem Mitschnitt bestanden.

Ich fordere Sie daher auf,

1. mir eine Kopie des Mitschnittes zukommen zu lassen,
2. mir zu bestätigen, dass kein Vertrag mit dem von ihnen erwähnten Inhalt zustande gekommen ist und
3. mir zu bestätigen, dass nur mein bisheriger Vertrag zu unveränderten Konditionen fortbesteht.

Zur Erledigung der Sache habe ich mir eine Frist bis zum 27. Juni 2011 notiert.

Sollte die Frist ungenutzt verstreichen, würde ich davon ausgehen, dass es sich nicht um ein Versehen handelt, sondern hier vorsätzlich und gezielt über Mitarbeiter falsche Informationen zum Zwecke des Vertragsabschlusses gemacht wurden. Immerhin habe ich, wie bereits dargelegt, auch von Mandanten schon mehrfach berichtet bekommen, dass diese von Ihrem Unternehmen mit falschen Versprechungen in Verträge gelockt wurden. In diesem Fall würde ich ohne weitere Ankündigung Strafanzeige wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges erstatten.

Mit freundlichen Grüßen"

Und jetzt bin ich mal gespannt...

Dienstag, 31. Mai 2011

#servergate: AG hilft der Beschwerde nicht ab

Neues aus Darmstadt: Das Amtsgericht hat der Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss nicht abgeholfen und die Sache zwecks Vorlage beim Landgericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. (Die Vorgeschichte gibt's hier.) Gut, das ist jetzt nicht wirklich überraschend, da diese Entscheidung vom selben Richters stammt, der schon den Beschluss erlassen hat. Und ich habe nicht wirklich geglaubt, dass er auf eine anwaltliche Beschwerde hin zu dem Ergebnis kommt, beim Erlass des Durchsuchungsbeschlusses graviernde Fehler gemacht zu haben.

Bei meiner Anfrage zeigte sich das Amtsgericht allerdings überrascht, als ich monierte, keine entsprechende Information von der Nichtabhilfeentscheidung erhalten zu haben: "Das wird doch nur in der Akte vermerkt, das geben wir nie raus." Nun, das kenne ich auch anders, aber sei's drum.

Jetzt warte ich gespannt, was das Landgericht sagt. Und hoffe, dass es nicht allzu lange dauert.

Kachelmann: In dubio pro reo.

Heute hat das Landgericht Mannheim Jörg Kachelmann freigesprochen. Damit geht zumindest die erste Runde des mediengehypten Strafverfahrens zu Ende. Vermutlich wird das ganze aber beim Bundesgerichtshof landen, da die Staatsanwaltschaft bereits im Vorfeld der Entscheidung für diesen Fall angekündigt hat, Revision einzulegen.

Das Urteil war landauf, landab mit großer Spannung erwartet worden; viele haben sich in den vergangenen Monaten an Spekulationen versucht, ob er nun seine ehemalige Geliebte mit einem Messer und Gewalt zum Sex gezwungen hat. Ich werde mich daran jedoch nicht beteiligen, allem voran deshalb, weil ich die Ermittlungsergebnisse und Erkenntnisse der Hauptverhandlung nicht kenne. Darauf habe ich auch regelmäßig hingewiesen, wenn ich zu meiner Meinung gefragt wurde, was gerade im Freundeskreis vorgekommen ist.

Trotzdem habe ich zum Schluss dann doch gehofft, dass das Gericht sich zu einem Freispruch durchringen möge. Nicht aus männlicher Solidarität und auch nicht, weil mir die Verteidigungssituation näher liegt. Sondern wegen Frau Schwarzer. Sie hat es mit ihren jüngsten Äußerungen bei Maybritt Illner geschafft, dass ich dann letztlich doch noch innerlich Position zur Causa "Kachelmann" bezogen habe. Dort hatte sie als Zeichen gegen sexuelle Gewalt gefordert, es müsse in einem solchen Fall auch ein „Im Zweifel für das Opfer“ gelten können.

Damit hat Frau Schwarzer ungewollt zugegeben, dass auch sie nach der Hauptverhandlung noch sehr viel Raum für Zweifel an der Täterschaft des Herrn Kachelmann sieht. Sonst hätte sie wohl kaum über die Bedeutung des Zweifelssatzes sinniert. Dann aber darf es in einem Rechtsstaat nur eine Entscheidung geben und die heißt: Freispruch.

Über das zugleich zum Ausdruck gekommene, aus meiner Sicht völlig krude rechtsstaatliche Verständnis der "Emma"-Herausgeberin mag sich im übrigen jeder seine eigene Meinung bilden.

Freitag, 27. Mai 2011

Post von Frau Mubarak

Jetzt habe ich geschafft, ich bin prominent!

Frau Mubarak (ja, genau die) bittet mich per eMail um Hilfe, ihr 105 Mio. US$ schweres Privatvermögen aus Ägypten herauszubekommen und zu sichern. Gegen eine stattliche Entlohnung, versteht sich. Leider sind aber alle Telefone überwacht, so dass vertraulicher Kontakt nur über eMail möglich ist, schreibt sie.

Ich frage mich, ob es tatsächlich Menschen gibt, die auf solche Mails reagieren? Und die dann die vermutlich angeforderten und unbedingt notwendigen ersten Zahlungen auf ein Konto eines "vertrauenswürdigen Freundes" irgendwo auf dieser Welt leisten, denn vermutlich wird man dazu als nächstes aufgefordert. Aber wie einem die Erfahrungen des Jobs zeigen, gibt es keine Geschichte, die deutlich genug stinkt, als dass sie nicht jemand glauben würde. Manchmal denke ich, je offensichtlicher der Betrug, desto weniger kritisch wird das potenzielle Opfer. Hauptsache, die Zahlen sind groß genug.

Dienstag, 24. Mai 2011

Wahrheitspflicht im Zivilprozess

Aus dem Schriftsatz des Kollegen:
"Angsichts des Inhalts der Klageerwiderung stellt sich die Frage, ob der Beklagte über seine Wahrheitspflicht unterrichtet wurde."
Oh mein Gott!! Schweißgebadet suche ich die Telefonnummer meiner Haftpflichtversicherung. Habe ich da einen Regress "gebaut"? Ob die in einem solchen Fall deckt? Oder sollte ich doch lieber erst einen strafrechtlich bewanderten Kollegen anrufen?

Ich entscheide mich dann doch dafür, das Gericht darauf hinzuweisen, dass die Klageerwiderung u.a. auf den Angaben der von mir benannten Zeugin basiert. Und dass das vom Gegner initiierte Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO eingestellt wurde. Und dass er sinnigerweise in weiten Bereichen nur seine eigene Vernehmung als Partei angeboten hat.

Manchmal sind Zivilverfahren doch sehr lustig - vor allem, wenn man solche Schriftsätze bekommt. So gesehen: Herzlichen Dank, Herr Kollege. Oder im Twitter-Slang: ymmd!

Montag, 23. Mai 2011

#servergate

Unter diesem Hashtag machte am vergangenen Freitag ein bemerkenswerter und vermutlich auch bislang einzigartiger Vorgang in der Twitter-Gemeinde die Runde:

In den Räumen der Fa. aixIT GmbH in Offenbach am Main fand eine Durchsuchung statt. Grundlage war ein entsprechender Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 19.05.2011, der neben der Durchsuchung die Beschlagnahme einer nicht näher definierten Anzahl von Festplatten unbekannter Speichergröße zur Domain "piratenpad.de" sowie den dort gespeicherten Daten zu einer bestimmten IP anordnete. Verantwortlicher Betreiber der besagten Domain: die Piratenpartei Deutschland. In Ausführung dieses Beschlusses waren Polizeibeamte am Freitag bei der aixIT GmbH aufgeschlagen und hatten sämtliche dort gehosteten Server der Piratenpartei - und nicht nur die, auf denen das Piratenpad läuft - vom Netz genommen.

Anlass für diese Aktion soll laut besagtem Durchsuchungsbeschluss ein Vorfall aus der Zeit vom 20. bis 23. April - also exakt einen Monat zuvor - sein, bei dem Unbekannte einen 14-stündigen sog. DDoS-Angriff auf die Website des französischen Elektrizitätsgesellschaft EDF gefahren haben sollen, in Folge dessen diverse Subdomains der Hauptseite für die Zeit des Angriffes nicht erreichbar gewesen sein sollen.

Durch "open-source-Recherchen" hätten die französischen Ermittler dann Hinweise auf die Seite "http://piratenpad.de" der Piratenpartei Deutschland erhalten, wo das Bundeskriminalamt Wiesbaden zahlreiche Links zu weiteren Seiten gesichtet habe mit Erläuterungen zur Gruppe der Angreifer, Darstellungen mit Aufforderungen zu weiteren solcher Angriffe auf andere Websites und Informationen zur EDF. Man vermutete nun auf dem Server "piratenpad.de" weitere Informationen, die u.a. zur Identifizierung der Tätern führen könnten.

Aufgrund einer unterstellten Flüchtigkeit von Daten im Internet und der daraus abgeleiteten Gefahr des Verlustes der für die französischen Ermittler eventuell wichtigen Daten sah es das Gericht zudem für erforderlich an, aufgrund eines lediglich angekündigten aber noch nicht vorliegenden justiziellen Rechtshilfeersuchens der französischen Behörden eine Vorabsicherung vorzunehmen und die Speichermedien zu beschlagnahmen. Abgerundet wurde das ganze mit dem Hinweis, dass in Deutschland keine rechtliche Verpflichtung eines Providers bestehe, eine solche Vorabsicherung ohne richterlichen Beschluss vorzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 habe ich für die Piratenpartei Deutschland Beschwerde gegen diesen Durchsuchungsbeschluss eingelegt mit dem Ziel, den Beschluss für unzulässig erklären, die Löschung der so gewonnenen Daten anordnen und die Rechtswidrigkeit des Beschlusses feststellen zu lassen.

Der gesamte Beschluss ist aus meiner Sicht schon deshalb ein starkes Stück, weil hier sehenden Auges ein Großteil der Kommunikations- und Arbeitsinfrastruktur einer Partei komplett lahmgelegt wurde, ohne dass sich das anordnende Gericht auch nur mit einem einzigen Satz mit dem besonderen Schutz, den Art. 21 GG Parteien und damit auch der Piratenpartei Deutschland gewährt, auseinandersetzt. Was für mich bedeutet: Das Amtsgericht Darmstadt hat sich vor bzw. bei Erlass des Beschlusses mit dieser Frage auch überhaupt nicht befasst. Dass sich diese Rechtsfrage indes aufdrängen musste, hat der Kollege Vetter in seinem Lawblog sehr gut dargestellt.

Was die Frage aufwirft: Was genau hat das Amtsgericht denn geprüft, bevor es den beantragten Beschluss erlassen hat? Hat es überhaupt etwas geprüft oder den Antrag im Vertrauen, dass das wohl alles seine Ordnung haben wird, unterschrieben?

Eine schlimme Vorstellung, aber der gesamte Beschluss lässt genau dies fürchten.

Schon der Umfang der angeordneten Beschlagnahme müsste im Rahmen einer Prüfung dem Gericht doch Anlass zum Nachdenken geben. Nach der Rechtsprechung muss eine Beschlagnahmeanordnung so genau formuliert sein, dass zweifelsfrei erkennbar ist, was beschlagnahmt werden soll. Eine nur allgemein gehaltene Anordnung wie z.B. „alle aufgefundenen Beweismittel“ reicht danach nicht aus. Der Beschluss des AG Darmstadt ist aber bedenklich allgemein gehalten, weil er anordnet, dass eine unbekannte Anzahl von Festplatten mit unbekannter Speichergröße beschlagnahmt werden sollen. Theoretisch lässt der Beschluss damit zu, dass die gesamte dort gehostete IT der Piratenpartei beschlagnahmt werden könnte.

In Folge dessen steht zu fürchten, dass es nun zu einem „Beschlagnahmeexzess“ gekommen ist.Was leider kein Einzelfall sein dürfte, über das gleiche Problem hatte ich schon einmal hier berichtet.

Bemerkenswert ist auch, mit welchem Selbstverständnis sich das Gericht über den Umstand hinwegsetzt, dass noch nicht einmal ein offizielles Rechtshilfeersuchen der französischen Behörden vorlag. In vorauseilendem Gehorsam konstruiert man eine Art Gefahr im Verzug und behauptet lapidar, die Daten seien im Netz flüchtig. Wohlgemerkt: Der Beschluss datiert fast taggenau einen Monate nach dem verfahrensgegenständlichen DDoS-Angriff! Aufgrund welcher konkreten Erkenntnisse man zu fürchten glaubt, gerade jetzt würden die Daten verschwinden, wird nicht erwähnt. Vermutlich, weil es sie nicht gibt. Auch hier drängen sich Zweifel auf, ob das Gericht seiner gesetzlichen Prüfungspflicht nachgekommen ist.

Zudem frage ich mich, warum man den Vorstand der Piratenpartei nicht um die gewünschten Daten gebeten hat. Erkennbar besteht weder gegen die Piratenpartei noch gegen die Mitglieder des Vorstandes der Verdacht, an den Attacken beteiligt gewesen zu sein. Als demokratische Partei mit den Kernzielen „Erhalt der Bürgerrechte und des Rechtsstaates“ kann die Partei auch nicht unter dem Generalverdacht stehen, sie stünde polizeilichen Ermittlungen derart negativ gegenüber, dass man diese gezielt behindern würde. Statt einer Erörterung dieses Problems findet sich sinnigerweise lediglich der Hinweis auf die in Deutschland fehlende Verpflichtung des Providers, ohne gerichtlichen Beschluss die begehrten Daten herausgzugeben.

Spätestens hier reibt sich jeder mit urheberrechtlichen Streitigkeiten nicht ganz unvertraute Jurist die Augen: In den Massenabmahnverfahren ist es an der Tagesordnung, dass Provider per einstweiliger Verfügung verpflichtet werden, IP-Daten nicht zu löschen sondern Wochen später aufgrund weiterer gerichtlicher Verpflichtung zusammen mit den angeblichen Inhaberdaten herauszugeben. Sollte tatsächlich den Staatsanwaltschaften verwehrt sein, was der Rechteverwerter tagtägliches und tausendfaches Brot ist? Ein einfacher Beschluss, der die Piratenpartei verpflichtet hätte, die besagten Daten nicht zu löschen und anschließend in aller Ruhe und ohne dass es des Abschaltens sämtlicher Server bedurft hätte herauszuverlangen, soll nach deutschem Recht nur rechteverwertenden Großkanzleien nicht aber den Staatsanwaltschaften möglich sein?

Es zeigt sich: Der Beschluss im wahrsten Sinne des Wortes "maßlos" und verstößt gegen das Übermaßverbot. Jede Ermittlungsmaßnahme muss im Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Die Ermittlungsbehörden durften nicht auf Millionen von Daten und Dateien zugreifen, nur um ein vorher wohl schon bekanntes Pad und die dazugehörigen Daten zu erhalten.

Oder hat man auch hier wieder auf "Zufallsfunde" spekuliert?

Dienstag, 10. Mai 2011

Die Sachlage war schwierig

Pflichtverteidigung, die zweite. Unlängst habe ich über meinen Beiordnungsantrag berichtet. Heute wurde die Verhandlung fortgesetzt und gleich zu Beginn der Beiordnungsbeschluss verkündet. Na also!

Montag, 2. Mai 2011

Mundschutz ist Schutzwaffe

In der jüngsten Zeit häufen sich Entscheidungen, in denen die Gerichte die Grenzen des Wortsinnes sehr deutlich ausloten und - jedenfalls nach meiner Auffassung - zum Teil auch klar überschreiten. Aktuelles Beispiel ist das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 11.04.2011 (Az.: 2 Ss 36/11, noch nicht veröffentlicht), das mein Büro-Kollege kassieren musste:
"Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Angeklagte beim Besuch des DFB-Fußballpokalspiels [...] bei der Personenkontrolle [...] einen schwarzen Mundschutz im Schuh bei sich, der von einem Ordner bei der Durchsuchung aufgefunden wurde. Nach der vom Amtsgericht weiterhin zugrunde gelegten Einlassung des Angeklagten habe er [...] allein für den Fall, dass es aufgrund von Fanrivalitäten zu Auseinandersetzungen gekommen wäre, eine Schutzmaßnahme ergreifen wollen. Ein Einsatz gegen Vollstreckungsbeamte sei hingegen nicht beabsichtigt gewesen. Der Vorteil -die Wirkung eines Schlages keineswegs dämpfenden- Mundschutzes liege allein darin, dass die Zähne nicht ausgeschlagen werden könnten."
Den auf Basis dieser Feststellungen erfolgten Freispruch des Amtsgerichts hat das Oberlandesgericht nun kassiert. Die Begründung unseres 2. Strafsenates ist ein sehr anschauliches (sorry, aber der Begriff "schön" verbietet sich hier) Beispiel, wie weit sich Strafgerichte von den Grenzen des Wortsinns entfernen können. So führt der Senat aus:
"Der von dem Angeklagten bei einer "sonstigen öffentlichen Veranstaltung" i. S. d. § 17a Abs. 1 VersG mitgeführte Mundschutz ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als Schutzwaffe im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Schutzwaffen im technischen Sinn sind nach ihrer Zweckbestimmung, ihren Konstruktionsmerkmalen oder ihren besonderen Eigenschaften von vornherein dazu bestimmt, dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu dienen. Dazu gehören vornehmlich Schutzschilde, Panzerungen sowie Schutzwaffen aus dem polizeilichen oder militärischen Bereich oder aus dem Bereich von Kampfsportarten. In der Mitführung solcher Schutzwaffen sieht der Gesetzgeber ein sicheres und ausreichendes Indiz für offenkundige Gewaltbereitschaft."
Besonders "gelungen" finde ich dann noch den Hinweis:
"Die vom Amtsgericht vorgenommene Differenzierung, dass sich der Mundschutz lediglich zur Vermeidung schwerer Zahlverletzungen eigne, nicht jedoch eine Dämpfung der Schläge erreiche und daher keine Schutzwaffe darstelle, findet im Gesetz keine Stütze."
Apropos Stütze im Gesetz finden. § 17 a Abs. 1 VersG liest sich wie folgt:
Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.
Dort ist die Rede von "Schutzwaffen", bzw. Gegenständen, die als "Schutzwaffen geeignet" sind. Nicht die Rede ist von Gegenständen, die "dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen dienen", wie es das OLG ausführt. Damit hat der Senat zunächst nur definiert, wie man den Worteil "Schutz" oder vielleicht sogar noch den Begriff "Schutzgegenstand" verstehen kann. Allerdings beinhaltet der Begriff noch den weiteren Worteil "Waffe". Nach dem Wortsinn des Gesetzestextes darf man auf Versammlungen also keine Waffe (!) oder solchen gleichstehende Gegenstände mitnehmen, die dem Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen dienen. Man mag mich kleinkariert nennen, aber eine etwas eingehendere Auseinandersetzung mit dem Waffenbegriff wäre hier angebracht gewesen.

Dazu hilft ein Blick ins Waffengesetz, dort § 1 Abs. 2:
Waffen sind
1.Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und
2.tragbare Gegenstände,
a)die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;
b)die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.
Laut Wikipedia sind Waffen Mittel,
"die ein Lebewesen in einer Konfliktsituation seiner Handlungsfähigkeit und Unversehrtheit, sowohl psychisch als auch physisch, berauben können und deren Anwendung im Extremfall zum Tod des betroffenen Lebewesens führt. Die als Waffen eingesetzten Mittel können ebenso Güter beschädigen, zerstören oder in ihrer Gebrauchsfähigkeit einschränken. Waffen können weiterhin ein Mittel sein um eine Person durch Zwang (z. B. Drohung mit einer Waffe) ihrer Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zu berauben."
Von beiden Vorstellung des Waffenbegriffes ist der Mundschutz nicht nur nach meiner Auffassung sehr weit entfernt. Ich behaupte sogar, außer einigen hoch qualifizierten Strafjuristen wird kaum jemand einen Mundschutz mit einer Waffe oder dem Begriff "Schutzwaffe" in Verbindung bringen.

Nach meiner Überzeugung verstößt dieses Urteil gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Danach darf eine Bestrafung nur erfolgen, wenn die Tat bei ihrer Begehung unter Strafe gestellt war. Ein Täter soll erkennen können, dass sein Verhalten strafbar ist. Wer nicht zufällig die besagte Entscheidung kennt, wird indes auch wenn er § 17a VersG liest, zu keiner Zeit auf die Idee kommen, ein Mundschutz sei eine "Schutzwaffe" und sein Mitführen bei einer Versammlung strafbar.

Man wird sich also in Zukunft gut überlegen müssen, was man alles zu einer Versammlung mitninmmt. Verbandszeug wird da schon kritisch. Schließlich bandagiert man auch die Hände von Boxern, bevor die Handschuhe übergestreift werden, damit die Finger nicht so in Mitleidenschaft gezogen werden. Und dann ist der argumentative Schritt nicht mehr weit, Schutzwaffe sei alles, was Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren geeignet ist. So leicht, wie sich das OLG hier von der Beengung des Waffenbegriffes getrennt hat, lässt sich sicher auch der hier noch für notwendig gefundene Bezug des Gegenstandes zu Kampfsportarten aufgeben, zumal gerade der keinerlei Stütze im Gesetzestext findet.

Wie lange da die Regenjacke ihre versammlungsrechtliche Unschuld noch bewahrt?

Freitag, 29. April 2011

Wirklich glückliche Mandanten

Ab und an kann man als Rechtsanwalt seine Mandanten richtig glücklich machen. Ich meine damit nicht die Freude über einen gewonnenen Rechtsstreit oder über eine Verfahrenseinstellung oder gar einen Freispruch. Solche Ergebnisse führen in aller Regel "nur" zu zufriedenen Mandanten. Schließlich wähnen diese sich oft im Recht und zu nichts anderem hat man ihnen ja verholfen.

Gestern aber durfte ich wieder einmal eine zutiefst glückliche und dankbare Mandantin erleben, als sie nach drei Monaten Trennung mit leicht tränenfeuchten Augen ihren Führerschein aus meinen Händen wieder in Empfang nahm.

Allein die Reaktion der Mandanten ist mir jedesmal wieder die Zeit wert, das gute Stücks aus der amtlichen Verwahrung abzuholen.

Donnerstag, 21. April 2011

Von der Schwierigkeit der besonderen Schwierigkeit der Sachlage

Heute war der 9. oder 10. Verhandlungstag in einer Berufungssache vor dem Landgericht. Das habe ich zum Anlass genommen, meinen bereits am ersten Verhandlungstag gestellten Beiordnungsantrag noch einmal zu wiederholen, wenn auch mit zusätzlichen Gründen.

Die Schwierigkeit der Sachlage (§ 140 II StPO) ergibt sich meines Erachtens schon aus der bloßen Anzahl von Hauptverhandlungstagen, die man auch in Relation sehen muss zu den eineinhalb Stunden, die das Amtsgericht für die Verurteilung benötigte. Dort hatte die Einlassung des (noch nicht anwaltlich vertretenen) Mandanten nicht weiter interessiert. Jetzt im Berufungsverfahren wurde sogar ein Schriftsachverständigengutachten eingeholt. Ein weiterer Grund für die Beiordnung, wie ich finde.

Mal gespannt, wie es das Landgericht jetzt sieht.

Freitag, 15. April 2011

Einschüchterungs-Durchsuchungen, rechtswidriger Trojaner-Einsatz - wo stehen die bayerischen Ermittler?

Gestern durchsuchten Polizeibeamten das Büro von Attac. Offiziell wurde laut Frankfurter Rundschau als Ziel der Aktion angegeben, das von den Globalisierungskritikern bereits im November auf deren Internetseite veröffentlichte Gutachten zu den Haftungsrisiken beim Finanzdesaster der Bayerischen Landesbank sicherzustellen. Letztlich unverrichteter Dinge zogen die Beamten wieder ab.

Hinter der Aktion steht als ermittelnde Behörde die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München, die - offiziell jedenfalls - wegen des Verdachts der unerlaubten Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke ermittelt. Warum man dazu das Büro von Attac auf der Suche nach einem - virtuellen - Dokument durchsuchen muss, zumal fünf Monate nach der Veröffentlichung auf der Homepage, leuchtet mir jedenfalls nicht ein. Aus meiner Sicht sprechen daher gute Gründe für die Annahme von Attac, dass es sich bei der ganzen Aktion lediglich um einen Einschüchterungsversuch handelte. Das virtuelle Dokument an sich hätte bequem vom Büro des Staatsanwaltes aus heruntergeladen werden können

Das macht die Sache langsam aber sicher über den reinen Vorfall hinaus brisant: Werden in München Durchsuchungen nicht als Mittel zum Auffinden von Beweismitteln oder Ergreifen von Beschuldigten eingesetzt, wie es §§ 102, 103 vorsehen, sondern zur Einschüchterung von Beschuldigten? Oder gar von politisch unbequemen Institutionen? Immerhin enthält das Gutachten Einschätzungen über wohl auch juristisch relevante Verfehlungen hochrangiger CSU-Politikter, deren Partei bekanntlich den bayerischen Innenminister stellt, der wiederum weisungsberechtigt gegenüber der Staatsanwaltschaft ist. Die Staatsanwaltschaft gar als innen- bzw. parteipolitisches Instrument zum Schutze der "Amigos"?

Ergänzt man hierzu noch die mittlerweile bekannt gewordenen Fälle, in denen - wiederum bayrische Kriminalbeamte - bewusst rechtswidrig Trojaner zum Ausspähen von Computern bzw. den Aktivitäten der Nutzer eingesetzt wurden, ergibt sich ein sehr nachdenklich stimmendes Bild über den Zustand der bayerischen Ermittlungsbehörden. Man könnte den Eindruck gewinnen, dort würden strafprozessuale Regelungen nur noch als Möglichkeiten interpretiert - und bei Bedarf ignoriert.

Was die Frage aufwirft, wo die Ermittler in Bayern stehen. Die Grenzen des Rechtsstaates scheinen zusehends zu verwischen.

Dienstag, 12. April 2011

Iudex non calculat? Von wegen!

Die AfA hat meine Mandantin auf Erstattung erbrachte Unterhaltsleistungen für deren Ex-Ehemann verklagt. Im heutigen Verhandlungstermin fragt die Vorsitzende die Dame vom Amt, ob denn die Angaben des Mannes überprüft wurden. Natürlich nicht, man könne ja nicht bei jedem Antragsteller von vornherein unterstellen, dass er keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht habe, lautete die Antwort.

Darauf die Vorsitzende: "Also ich habe mir mal zu den Zahlen so meine Gedanken gemacht. Er will während der Ehe ausschließlich vom Einkommen seiner Frau gelebt und kein eigenes Einkommen erzielt haben. Nach Abzug alleine der Miete verblieben nur noch € 500,00 bis 600,00. Davon mussten noch Gas, Wasser, Strom, TV und vermutlich auch ein paar Versicherungen gezahlt werden. Vom Rest sollen beide Eheleute gelebt haben. Das kann ich mir nur schwer vorstellen."

Da macht man mal ausnahmsweise eine solche Sache und schon erlebt man sowas. Von wegen: Iudex non calculat! Leider erlebe ich so wirklich im Leben stehende Richter irgendwie viel zu selten.

Montag, 11. April 2011

Frühe Termine

Die Terminierungspraxis vieler Gerichte ist zuweilen etwas seltsam. Immer wieder beschleicht mich dabei das Gefühl, dass gerade in Zivilverfahren Termine, bei denen auswärtige Anwälte beteiligt sind, vergleichsweise häufig auf den Anfang des Sitzungstages fallen, hingegen Termine vor "heimischen" Gerichten oft etwas später stattfinden.

Heute morgen hatte ich einen Termin in Mannheim, bei dem auch für das Gericht von Anfang an klar war, dass ich den selbst wahrnehmen würde. Der war auf 8:30 Uhr angesetzt.. Der Gegencheck: Bis Ende Mai habe ich in Frankfurt und Umgebung keinen Termin mehr, der vor 10:00 Uhr beginnt.

Ob die früheren Termine für die Kollegen von außerhalb reserviert sind?

Freitag, 1. April 2011

MIt der Bitte um Kenntnisnahme

Aus dem Schriftsatz des Kollegen:
"Der Verfasser hat seit längerem keinen Schriftsatz wie den vom ... gelesen, in dem nur Unerhebliches vorgetragen wurde. Dies dürfte das Gericht aufgrund der Übersendung des Schriftsatzes "mit der Bitte um Kenntnisnahme" entsprechend sehen."
Über die Qualität von Schriftsätzen ist man häufig mal unterschiedlicher Auffassung. Über die Frage, ob solche persönlichen Angriffe in der Sache weiterbringen, offenbar auch.

Jedenfalls erhielt ich das "Schriftstück mit der Bitte um Kenntnisnahme"...

Freispruch für RA Lucas!

Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, jetzt ist das Ergebnis bekannt geworden: Burhoff vermeldet den Freispruch des Kollegen Lucas durch das LG Augsburg.

Angesichts der Informationen, die wir Teilnehmer des Strafverteidigertages von den in Augsburg verteidigenden Kollegen erhalten haben, kann ich das Ergebnis nicht unbedingt als Sensation werten. Eine Erleichterung für alle Strafverteidiger ist es aber allemal.

Jetzt bin ich auf die Urteilsgründe gespannt. Mein Tipp: Es habe nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugung des Gerichtes geklärt werden können, ob die Anklagevorwürfe zutreffen oder nicht. Es bleibe durchaus möglich, aber nach dem Zweifelssatz war freizusprechen. So wäre die Sache einigermaßen gesichtswahrend für alle Beteiligten gelöst.

Man darf gespannt sein und gerne über die Gründe mitraten.

P.S.: Nein, es ist kein Aprilscherz!

Sonntag, 27. März 2011

Haben Presseberichte Einfluss auf Verfahren?

Schlussdiskussion auf dem 35. Strafverteidigertag zum Thema "Manipulierte Wahrheitsfindung. Die Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden." Das Gespräch dreht sich primär darum, ob überhaupt und wenn ja: wie frühzeitige Berichterstattung zu einer Vorverurteilung führen kann. Die eingeladene Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärt, sie könne sich nicht vorstellen, dass sich irgendein Richter durch Presseberichte bei der Urteilsfindung beeinflussen lassen würde.

Schünemann veröffentlichte bereits vor fast 30 Jahren Forschungsergebnisse, die den Schluss zulassen, dass bereits die Kenntnis vom Inhalt der Ermittlungsakte eine sehr deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zur Folge hat. Richter, die zuerst die Ermittlungsakte gelesen hatten, kamen in den Versuchen weitaus häufiger zu Verurteilungen, als solche, die lediglich den Verlauf der Hauptverhandlung kannten. Letztere kamen deutlich öfter zur Überzeugung, freizusprechen.

Erklärt wird dies mit den Erkenntnissen der kognitiven Psychologie. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass der berühmte erste Eindruck wohl noch weitaus wichtiger ist und einen sehr nachhaltigeren Eindruck hinterlässt, als man gemeinhin sowieso schon annimmt.

Angesichts dieser Erkenntnisse scheint mir diese Diskussion fast unwirklich. Kennt man diese Untersuchungen bei den Diskutanten auf dem Podium nicht oder ignoriert man das bewusst?

Montag, 21. März 2011

Mediale Begleitung

Gesehen gestern Abend im TV: KHKin Lindholm vom LKA Hannover bricht in die Wohnung eines Tatverdächtigen ein, um sich in den Besitz seines Laptops zu bringen, auf dem sie wichtige Beweismittel vermutet. Der von ihr zuvor begehrte Durchsuchungsbeschluss war ihr verweigert worden. Anschließend lässt sie den Tatverdächtigen aufs Präsidium bringen und schafft es mittels einer kleinen Ohrfeige, dass dieser sich das so erlangte Beweis-Video anschaut, was er zunächst abgelehnt hatte. Am Ende stellt sich ihr Tatverdacht zwar als falsch heraus, aber dank des Beweis-Videos kann sie den Mord schließlich doch noch aufklären. Auch wenn ihr Vorgesetzter zuvor gedroht hatte: "Wenn der Staatsanwalt davon Wind bekommt, haben Sie ein Disziplinarverfahren am Hals!"

Soso, ein Disziplinarverfahren, denke ich leicht verstimmt. Und frage mich: Was ist eigentlich mit den von ihr dadurch begangenen Straftaten? Was ist mit dem Einbruchsdiebstahl? Was ist mit der Körperverletzung und der Nötigung? Und wie sieht es aus mit der Verwertbarkeit derart erlangter Beweismittel? Alles Fehlanzeige!

Nicht dass ich davon ausginge, ein Tatort würde das wahre Leben abbilden. Weiß Gott nicht, auch wenn ich mich schon hin und wieder frage, warum es fast kein deutscher Krimi schafft, dass das zuständige Gericht einen "Durchsuchungsbeschluss" erlässt, sonder immer alles in "Befehls"-Form gestaltet sein muss.

Was mich aber ärgert: Auf diese Art und Weise werden die Fernsehzuschauer nach und nach daran gewöhnt, dass Polizisten ihre Arbeit auch mal etwas "handfester" erledigen. Da dürfen sie im Interesse der Verfolgung von Straftaten gerne auch mal selbst das Recht biegen und brechen. Für den guten Zweck, sozusagen.

Irgendwie passt das für mich in den seit Jahren laufenden Prozess der Aushöhlung und Abschaffung von Beschuldigtenrechten in Ermittlungs- und Strafverfahren. Als mediale Begleitung, sozusagen.

Mittwoch, 16. März 2011

Strafverteidigertag

So, frisch angemeldet für den Strafverteidigertag in Berlin. Jetzt bin ich mal gespannt, wen man dort so alles trifft.

Dienstag, 15. März 2011

Zugeknöpftes Inkasso-Unternehmen

Der Mandant hat einen Eintrag bei der Schufa, der auf ein Inkasso-Unternehmen zurückgeht. Ihm sage der ganze Vorgang nichts, beteuert er. Seine Versuche, bei dem Unternehmen etwas zu erfahren, seien auch erfolglos gewesen. Man habe ihm trotz Zusage nichts zukommen lassen, aus dem sich die Forderung nachvollziehen lässt.

Auf der Suche nach einer Faxnummer lasse ich die Suchmaschine das Internet durchforsten. Es finden sich zum Namen des Unternehmens vor allem Foreneinträge über angeblich unbegründete Forderungen. Endlich eine Seite mit den Basisdaten einschließlich Faxnummer. Doch mein Faxgerät findet keine Verbindung.

Alles irgendwie seltsam. Aber bestimmt nur Zufall...

Mittwoch, 16. Februar 2011

Verständiger Richter

Ich hätte es ja nie für möglich gehalten, aber man kann eine Befangenheit mit einem betroffenen Richter auch konstruktiv und vor allem friedlich erörtern. So geschehen am Amtsgericht Kaiserslautern.

Der Mandant ist wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage angeklagt. Er hatte sowohl in seinem Verfahren wegen gemeinsamen Diebstahls als auch als Zeuge im Vefahren gegen seinen mutmaßlichen Mittäter die Vorwürfe der Anklage bestritten. In beiden Verfahren glaubte ihm das Gericht nicht. Wegen seiner Zeugenaussage musste er sich jetzt gerichtlich verantworten. Verhandelt werden sollte allerdings vor dem selben Richter, der ihn schon wegen des Diebstahls verurteilt und dabei seiner Einlassung nicht geglaubt hatte. Damit hatten mein Mandant und ich wir allerdings unsere Probleme.

Zu Beginn der Verhandlung bat ich daher um ein kurzes Rechtsgespräch, um die Situation zu erörtern. Hatte ich mich auf den Beginn eines heftigen Kampfes eingestellt, sah ich mich allerdings überrascht. Nach kurzer Diskussion räumte der betroffene Richter ein, aus Sicht meines Mandanten könne er die Befürchtung einer Befangenheit durchaus nachvollziehen, nachdem er dessen Einlassung schon einmal nicht geglaubt hat. Nach sehr sachlicher und freundlicher Erörterung der Lage entschloss man sich, das Verfahren zunächst auszusetzen. Wir klären jetzt erst einmal die Frage, ob er das Verfahren führen kann/darf.

Warum kann das nicht immer so ablaufen? Ich behaupte mal, viele Verfahren würden dann sehr viel entspannter und schneller zu einem angemessenen Ende kommen.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Gilt § 258a StGB auch in Mittelfranken?

Man braucht sich als Betrüger im Internet gar nicht erst die Mühe zu machen, seine Spuren zu verwischen oder seine Server auf weit entfernte Inseln zu verlegen. Das wahre Paradies für Internetkriminelle scheint Mittelfranken in Deutschland zu sein.

So berichtet gulli.com einen Fall, bei dem ein Betrugsdezernat der mittelfränkischen Polizei sogar noch untätig blieb, nachdem ihnen ein Webmaster aus Mittelfranken Hinweise auf Kreditkartenbetrüger übermittelt hatte, weil offenbar jemand illegale Kreditkartendetails ganz ohne Anonymisierung auf dessen Seite eingestellt hatte. Dabei soll es sich um IP-Adressen gehandelt haben, die keine Rückschlüsse auf einen Proxy, ein VPN oder einen Exit-Node von Tor zuließen. Zudem habe die ICQ-Nummer eines Traders existiert, bei dem man die Karten kaufen könne. Beides Anhaltspunkte, die eine Suche nach den Hintermännern erfolgversprechend gestaltet hätten. Dennoch blieben die Ermittler in Mittelfranken untätig.

Ob man dort schon einmal vom Amtsermittlungsprinzip gehört hat? Vielleicht ist ja die zuständige Staatsanwaltschaft ja in diesem Bereich aktiver. Eigentlich müsste doch diese Meldung zumindest den Anfangsverdacht einer Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) begründen.

Daneben ein weiteres schönes Beispiel für die "Notwendigkeit" der Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung der gestiegenen Kriminalität im Internet.

Freitag, 4. Februar 2011

Laptop ist im Knast!

Mein Kampf um den Laptop im Knast scheint zu einem guten Ende gekommen zu sein. Die JVA hat mir ein Merkblatt zukommen lassen. Darin heißt es:
"Aufgrund der Tatsache, dass die elektronische Datenverwaltung auch bei den Gerichten und der Strafverteidigung verstärkt zum Einsatz kommt, wird in Absprache mit dem HMdJ nachstehende Verfahrensweise festgelegt. Den Gefangenen wird ein anstaltseigenes Notebook mit stark eingeschränkten Rechten (nur Leserecht) zur Verfügung gestellt; insbesondere wird der Zugriff auf das Internet/WLAN gesperrt. Des Weiteren werden alle nicht benötigten Anschlussmöglichkeiten versiegelt."
Na also, geht doch!

Berlin, die zweite...

Wie es scheint diente die Beiordnung doch mehr gerichtseigener Zwecke denn der Wahrung prozessualer Rechte meiner Mandantin als Zeugin. Nachdem meine Mandantin die erste und offenbar für das Gericht wichtigste Frage unter Bezug auf § 55 StPO nicht beantworten wollte, erlebte ich mein blaues Wunder: Er fühle sich von mir ausgetrickst, ließ mich der Vorsitzende wissen. Er habe im Telefonat klargemacht, was er wissen wolle. Hätte ich ihm mitgeteilt, dass die Mandantin überhaupt nicht aussagen wolle, hätte er sie abgeladen und nicht Zeugin und mir als Beistand auf Kosten des Steuerzahlers einen schönen Tag in Berlin finanziert.

Damit beendete er wutentbrannt die Vernehmung, ohne weitere Fragen oder Fragerecht für Staatsanwaltschaft oder Verteidigung.

Ob er weiß, wie "großzügig" die Terminsgebühr ausfällt, die mir der Steuerzahler da bezahlt? Wohl kaum. Sonst könnte er nicht ernsthaft unterstellen, dafür würde ich eine "Spaßreise" nach Berlin antreten, die mit viel Hektik verbunden war und mich einen ganzen Arbeitstag kostete. Von der sich noch viel mehr aufdrängenden Frage, was er sich mit meiner Beiordnung anscheinend versprochen hatte, mal ganz abgesehen.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin!

Unverhofft kommt oft. Gestern habe ich noch mit dem Richter am AG Tiergarten gesprochen und erörtert, ob er mich der Mandantin als Zeugenbeistand für die Verhandlung morgen beiordnet, was ich naheliegenderweise gerne wüsste, bevor ich mich auf die Reise mache. Da war er noch, nun sagen wir: zurückhaltend.

Einen eher kurzen Antragsschriftsatz später flatterte heute morgen die Beiordnung aus dem Bürofax. Ob der Hinweis geholfen hatte, dass im gegen die Mandantin laufenden Parallelverfahren die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO für erforderlich gehalten wurde und eine abweichende Beurteilung bei der Frage des Zeugenbeistandes nicht nachvollziehbar sei, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht lag es doch eher an der im heutigen Beschluss geäußerten Vemutung, meine Mandantin sei "grundsätzlich aussagebereit"?

Donnerstag, 27. Januar 2011

Erschwert die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärung schwerer Straftaten?

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die polizeiliche Kriminalitätsstatistik ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass die verdachtsunabhängige Datenspeicherung bislang bei der Aufklärung schwerer Straftaten nicht geholfen habe. So habe die Polizei 2009 über 1,42 Millionen schwere Delikte festgestellt nach 1,36 Millionen im Jahr 2007, als die Vorratsdatenspeicherung noch nicht gesetzlich geregelt war. Dabei habe die Aufklärungsrate 2007 ohne Vorratsdatenspeicherung noch 77,6 Prozent betragen, mit der Erfassung von Verbindungs- und Standortdaten im Jahr 2009 hingegen nur noch 76,3 Prozent. Diese Entwicklung spiegele sich nach Angaben des Arbeitskreises auch bei den schweren Internetstraftaten wider, deren Zahl von 167.451 im Jahr 2008 auf 206.909 im Jahr 2009 stark angestiegen, während die Aufklärungsquote gleichzeitig von 79,8 Prozent auf 75,7 Prozent gesunken sei.

Nicht, dass mich das ernsthaft überrascht, zumal nach meiner Erfahrung die gespeicherten Verbindungsdaten ohnehin hauptsächlich bei der Verfolgung angeblicher Urheberrechtsverstöße zum Einsatz gekommen sein dürfte. Allerdings ermöglichen diese Erkenntnisse eine völlig neue Argumentation in der laufenden Diskussion um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.

Jedem Politiker, der in Diskussionen hierfür wirbt und darlegt, anders sei weder dem internationalen Terrorismus noch der Kinderpornografie wirksam beizukommen, kann man künftig entgegenhalten:

Es ist statistisch erwiesen, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärung schwerer Straftaten, insbesondere im Internt, erschwert!

Nun lässt sich sicherlich über die Richtigkeit dieser These trotz der objektiven Zahlen trefflich streiten, wie meistens bei der Auswertung derartiger Erhebungen. Bekanntlich soll man ja keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat. Und der gezogene "Schluss" ist zugegebener Maßen eher polemisch als zwingend. Aber er bewegt sich durchaus auf gleichem Niveau wie die Behauptungen der Befürworter einer erneuten Vorratsdatenspeicherung. Mit dem kleinen aber schon fast süffisanten Unterschied, sich auf die konkreten Zahlen der Kriminalitätsstatistik beziehen zu können.

Bleibt zu hoffen, dass die Zahlen vielleicht zu einer Versachlichung der Diskussion um eine gesetzliche Neuregelung führen.

Dienstag, 18. Januar 2011

§ 55 StPO und die Verfassungsbeschwerde

Eine nicht ganz alltägliche Verfahrenssituation ergab sich heute vor dem Landgericht.

Mein Mandant war als Zeuge zu einem Verfahren gegen den früheren Mitangeklagten geladen. Dessen Revision war erfolgreich gewesen, die meines Mandanten nicht. Nun sollte er also im wiederholten Verfahren gegen den ehemals Mitangeklagten aussagen. Die Besonderheit: Derzeit liegt eine Verfassungsbeschwerde gegen das die Revision meines Mandanten verwerfende Urteil des BGH beim Bundesverfassungsgericht.

Als Zeugenbeistand hatte ich aus diesem Grund ein Auskunftsverweigerungsrecht meines Mandanten geltend gemacht. Dabei berief ich mich auf den bereits entschiedenen Fall, dass ein Wiederaufnahmeantrag gestellt aber noch nicht entschieden ist. Dann soll § 55 StPO greifen. Nichts anderes kann meiner Ansicht nach hier gelten. Zumal man dem Mandanten schon in seinem Verfahren nicht geglaubt und umfangreich die Beweisanträge abgewiesen hatte, die seine Einlassung bestätigen sollten. Wenn er jetzt aussagen muss, droht ihm daher ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage, sofern er weiter bei dem bleibt, was er bisher gesagt hat. Angesichts dessen hatte heute sogar der anwesende Staatsanwalt nicht nur meiner Beiordnung als Zeugenbeistand zugestimmt sondern auch meinen Einwand hinsichtlich des § 55 StPO unterstützt.

Das Gericht sah sich nach kurzer Beratungspause dennoch nicht in der Lage, die Frage zu entscheiden. Zwar leuchte die Analogie zum Wiederaufnahmeverfahren ein, man wolle das jedoch ausführlicher prüfen. Der Mandant erhalte ggf. kurzfristig eine erneute Ladung , sollte man das Auskunftsverweigerungsrecht nicht zuerkennen.

Wie auch immer das LG entscheidet, der Beschluss ist in jedem Fall veröffentlichungswürdig. Vermutlich gönnt sich die Kammer deshalb etwas mehr Zeit. Man will sich schließlich nicht blamieren.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Der Fall Lucas: Maulkorb für aktive Strafverteidiger?

Der Kollege Burhoff berichtet über den Fall Lucas: Ein Rechtsanwalt, der wegen Strafvereitelung angeklagt ist, weil er in der Revisionsbegründung von einem ausgeschlagenen Deal-Angebot der Strafkammer berichtete, die dieses aber bestritt. Da nach Ansicht des BGH der Verteidiger folglich die Unwahrheit gesagt haben muss, steht er nun selbst vor Gericht.

Egal, wie dieses Verfahren letztlich endet, ein Verdacht drängt sich auf: Die Versuche der Justiz, aktive Strafverteidiger zu disziplinieren, haben eine neue Qualität erreicht. Nicht einmal im Stammheimer Verfahren liefen die Kollegen Gefahr, wegen (ich drücke das jetzt mal vorsichtig aus) unterschiedlicher Wahrnehmungen in der oder vor der Hauptverhandlung strafrechtlich verfolgt zu werden. Wenn ich da an die vor ein paar Jahren aufgetauchten Tonmitschnitte denke: Das hätte sich ein Herr Schily angesichts des Falles Lucas vielleicht auch nicht mehr gewagt...

Die Folgen dieser neuen Einschüchterung sind nicht absehbar. Was darf ich als Verteidiger noch äußern, wenn ich grundsätzlich Gefahr laufe, durch einfaches Bestreiten des Gerichts ein Strafverfahren an den Hals zu bekommen, das mich im Verurteilungsfall leicht die Zulassung kosten kann? Welcher Verteidiger kennt ihn nicht, den Streit mit der Kammer über den Inhalt einer Zeugenaussage, die einige Verhandlungstage früher gemacht wurde? Und wie oft sind sich Verteidigung und Gericht jeweils einig über deren Inhalt, nur eben unter- und fast nie miteinander? Kann ich in solchen Fällen zukünftig im Interesse des Mandanten und der Wahrheitsfindung den Streit noch wagen?

Meines Erachtens steht in Augsburg nicht nur der Kollege Lucas vor Gericht. Denn: Kommt es zu einer Verurteilung, wird dies nicht als Maulkorb für aktive Verteidiger verstanden werden müssen? Steht dann aber nicht künftig jedes Strafurteil unter dem Verdacht, es sei nur deshalb zustande gekommen, weil kein Verteidiger mehr zu kämpfen wagt? Ob das das Vertrauen in den Rechtsstaat wirklich stärkt?

Gegen solche Mittel der Strafjustiz ist wohl nur noch ein Kraut gewachsen: Der vollständige Videomitschnitt der gesamten Verhandlung. Und deren Verwertbarkeit auch und gerade im Revisionsverfahren. Für Transparenz, Klarheit und den Erhalt eines rechtsstaatlichen Verfahrens!

Dienstag, 11. Januar 2011

"Der Beschuldigte lässt sich anwaltlich vertreten !"

In der Ermittlungsakte befindet sich eine Abverfügung, mit der sie an die Staatsanwaltschaft zurückgesandt wurde. Als Hinweis steht dort in Fettdruck:

"Der Beschuldigte lässt sich anwaltlich vertreten !"

Besonders das Ausrufezeichen hat es mir angetan: Ist das nun als Warnung gedacht oder kommt darin einfach nur Empörung zum Ausdruck?

Montag, 10. Januar 2011

Laptop im Knast, die Zweite...

So langsam scheint Bewegung in die Sache mit dem Laptop zu kommen. Ich hatte vor einiger Zeit beantragt, meinem Mandanten die Benutzung eines nicht internetfähigen Laptops in der JVA zu gestatten, weil wegen des Aktenumfangs auch ich schon "nur noch" eine E-Akte bekommen hatte. Das hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt mit der Begründung, dies könne die JVA nicht einrichten.

Darauf hin habe ich - neben einer Beschwerde - beantragt, mir einen Vorschuss auf die Fotokopierkosten zu zahlen, ausgehend von der konservativen Hochrechnung von 50.000 Blatt, die die Ermittlungsakte mindestens umfasst. Und zudem angekündigt, dass die JVA dann eben die räumlichen Möglichkeiten für die deutlich über 100 Ordner zu schaffen haben wird.

Der Vorsitzende der Landgerichtskammer teilte mir nun mit, er habe mit dem Staatsanwalt gesprochen und diesem empfohlen, doch noch einmal mit der JVA zu reden. Ein solcher Laptop sei in solcher Situation im Interesse eines fairen Verfahrens und der Gewährung einer ordnungsgemäßen Verteidigung angebracht. "Das halten wir in solch umfangreichen Verfahren immer so", fügte er noch hinzu.

Mein Kollege hegt ja den Verdacht, dass vielleicht doch weniger rechtsstaatliche Überlegungen als vielmehr der angeforderte Vorschuss Anlass zu dieser Empfehlung gegeben haben könnte.

Wie auch immer, jetzt bin ich auf die Entscheidung der Staatsawaltschaft bzw. der JVA gespannt.

Freitag, 7. Januar 2011

Eingeschlafene Abmahung

Und wieder so eine Abmahnsache wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung, die einfach einzuschlafen scheint. Seit meinem Schreiben vom 20. April (!) ist nichts mehr passiert. Ob da vielleicht doch noch einen der abmahnenden Kollegen die Arbeitswut packen wird? Oder ob man die Sache dort schon längst ad acta gelegt hat?

Egal, ich jedenfalls werde das jetzt einfach machen: Statt Wiedervorlage also ab in die Ablage!

Mittwoch, 5. Januar 2011

Kanonenschüsse auf Spatzen

Aktivisten der Gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiative Darmstadt beschäftigen sei März letzten Jahres die Darmstädter Justiz.

Zunächst hatten sie kurzzeitig die örtliche FDP-Geschäftsstelle besetzt und gegen Westerwelles "spätrömische Dekadenz"-Spruch im Zusammenhang mit Hartz-IV-Empfängern protestiert. Die Partei verstand hierbei wenig Spaß und erstattete Anzeige, die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Hausfriedensbruch. Weil die Initiative die fünfseitige Klageschrift auf ihrer Internetseite veröffentlichte, erging jetzt ein Strafbefehl.

Auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches, sieht man davon ab, dass § 353d Nr. 3 sicherlich nicht zu den bekanntesten Normen des StGB zählt.

Interessant wird es aber, wenn man sich den Zweck der Norm anschaut: Rechtsgut ist die Wahrung der Unbefangenheit von Verfahrensbeteiligten, namentlich von Laienrichtern und Zeugen, sowie den Schutz vor Bloßstellungen der Beteiligten. Wie sieht das im konkreten Fall aus? Der Angeklagte hat die Anklage veröffentlicht und darf sich selbst sicherlich bloßstellen. Da ein letztlich einfach gelagerter Hausfriedensbruch angeklalgt ist, dürfte das ganze zum Strafrichter gehen, der die Anklage schon kennt. Somit gibt es auch keine Laienrichter. Als Zeugen kommen vermutlich nur die Anzeigenerstatter von der FDP in Betracht. Auf deren Aussagen basiert die Anklage vermutlich.

Erfüllt die Tat also den Normzweck?

Das darf bezweifelt werden. Aber selbst wenn man dies bejaht: Wäre das nicht ein klassischer Fall, um ein allenfalls geringes Verschulden im Sinne des § 153a StPO anzunehmen? Irgendwie hat das ganze was von Kanonenschüssen auf Spatzen...

Ex BayernLB-Vorstand in Haft

Spiegel Online meldet unter Bezug auf eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, der frühere BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky sei verhaftet worden. Gegen den Manager werde wegen der ungeklärten Herkunft seines 50-Millionen-Dollar-Vermögens ermittelt.

Da es für den Erlass eines Haftbefehls einen dringenden Tatverdacht braucht, der sich mit "unklarer Herkunft" wohl nur schwer begründen lässt, gehe ich mal davon aus, dass die Staatsanwaltschaft im Gegenteil eine recht klare Vorstellung von der Herkunft des Vermögens haben wird. Ob diese dann stimmt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Da bin ich dann mal gespannt, ob bzw. was wir hier noch erfahren!

Dienstag, 4. Januar 2011

BVerfG: Meinungsfreiheit schützt grundsätzlich auch die Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung die weiten Grenzen der Meinungsfreiheit hervorgehoben: "Ein im Rahmen der Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren erteiltes allgemeines Publikationsverbot für die „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ ist verfassungswidrig", lautet die heute veröffentlichte Pressemitteilung.

Hintergrund: Das Oberlandesgericht München hatte den Beschwerdeführer u. a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) verurteilt und im Rahmen der Führungsaufsicht - unter anderem - das nach §145a StGB strafbewehrte Verbot, für die Dauer von fünf Jahren „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“, verhängt. Angesichts der früheren Verurteilungen, der Anlasstaten und des Umstandes, dass er während des Strafvollzugs Beiträge für rechtsextremistische Zeitschriften verfasst habe, ließ nach Auffassung des OLG seine unverändert fortbestehende Gesinnung besorgen, dass er künftig mit Publikationen gegen §§ 130, 86a StGB verstoßen werde.

Dies werteten die Verfassungshüter in Karlsruhe als verfassungswidrig. Der Senat hob das Verbot auf, weil es zu allgemein gefasst sei und damit "unverhältnismäßig" in die Meinungsfreiheit des Neonazis eingreife. Die Meinungsfreiheit schütze grundsätzlich - in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG - auch die Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen. Die Einstufung einer Position als "rechtsextremistisch" sei eine "Frage des politischen Meinungskampfes" und unterliege damit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Einschätzungen, begründete es seine Entscheidung. Das Verbot sei nicht hinreichend abgrenzbar, da es auch Veröffentlichungen unterhalb der Schwelle der §§ 130, 86a StGB erfasse. Der angegriffenen Entscheidung sei nicht zu entnehmen, "ob von dem Verbot der Verbreitung „nationalsozialistischen Gedankenguts“ jedes Gedankengut, das unter dem nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürregime propagiert wurde, erfasst sein soll oder nur bestimmte Ausschnitte der nationalsozialistischen Ideologie, und, falls letzteres der Fall sein sollte, nach welchen Kriterien diese Inhalte bestimmt werden können."

Eine mutige Entscheidung. Mutig, weil sie Anlass zu kontroverser Diskussion bietet und Widerspruch nachgerade provoziert. 

Dabei ist sie dem Grundgedanken nach so einleuchtend wie zutreffend: Nicht das gesamte nationalsozialistische Gedankengut steht auf der Stufe einer Volksverhetzung (§ 130 StGB). Vieles davon ist einfach nur Unsinn oder falsch. Die für einen Rechtsstaat elementare Meinungsfreiheit muss es erlauben, auch Blödsinn veröffentlichen zu dürfen. Sonst würde ein verurteilter Neonazi sich strafbar machen, wenn er das veröffentlichen würde, was beispielsweise viel beachtet ein Herr Sarazin mit nicht geringem Beifall gesagt hat. Die Überlegungen zum gemeinsamen Gen der jüdischen Bevölkerung wurden von einer Reihe von Menschen als durchaus wesensverwandt zu nationalsozialistischer Weltsicht eingestuft. Und in jüngerer Zeit wurde auch wieder - straflos - darüber spekuliert, ob der Überfall Polens 1939 durch die Wehrmacht nicht vielleicht doch nur einem Angriff der polnischen Armee zuvorgekommen sei.

Andererseits: So weitreichend hat vermutlich das OLG selbst sein Publikationsverbot nicht gesehen. Was die Frage aufwirft, ob hier nicht auch der Verweis auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des verhängten Verbots genügt hätte. Zumal das OLG schon in seiner Begründung für die Verhängung des Verbots recht deutliche Hinweise darauf gegeben hat, was damit bezweckt werden sollte: Zu verhindern, dass der Beschwerdeführer weiterhin wie schon in der Vergangenheit Gedankengut veröffentlichen und verbreiten kann, das zu strafrechtlicher Verfolgung Anlass gibt.

Nun, die Verfassungsrichter haben dem OLG zumindest genug Hinweise mit auf den Weg gegeben, wie sie ihr sicherlich berechtigtes Ziel verfassungskonform erreichen können.