Dienstag, 30. August 2011

Brutalstmögliche Aufklärung

Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat sein politisches Handwerk ganz offenkundig unter unserem Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gelernt. Koch hatte der politischen Welt u.a. gezeigt, wie man skandalträchtige Vorgänge einer "brutalstmöglichen Aufklärung" zuführt. Was sich im Ergebnis nur als neuer Spruch einer altbekannten Methodik herausgestellt hat: "Tarnen und täuschen" würde es der Volksmund ausdrücken.

Aktuell wird diese "Aufklärungsmethode" im Zusammenhang mit der so genannten "Servergate"-Affäre angewandt. Die hessische SPD hatte im Landtag die schwarz-gelbe Landesregierung um Erklärungen gebeten und einen Katalog Fragen dazu gestellt, deren Antworten Herr Hahn vergangene Woche vorgelegt hat.

Darin behauptet er, aus einem Schreiben der französischen Ermittlungsbehörden an das BKA gehe hervor, dass ein Angriff auf das automatisierte Datenverarbeitungssystem des Energieunternehmens erwartet wurde.

Insbesonder zu dieser Aussage hat heute der Vorstand der von der Durchsuchung betroffenen Piratenpartei heute Stellung genommen. Darin heißt es:
"Tatsächlich sind in diesem Schreiben keinerlei Hinweise auf den angeblich bevorstehenden Angriff enthalten. Vielmehr fand der Angriff, der sich außerdem ausschließlich gegen die Webseiten des französischen Energieversorgers EDF und nicht gegen kritische Infrastruktur der von ihm betriebenen Atomkraftwerke richtete, bereits über einen Monat vor der Durchsuchung statt.
Der Justizminister will offenbar eine Eilbedürftigkeit vortäuschen, die tatsächlich weder vorlag noch von der ermittelnden französischen Staatsanwaltschaft behauptet wurde. Das ist doppelt skandalös: Einerseits, weil hier das Parlament gezielt falsch informiert wird. Andererseits, weil das Justizministerium versucht, Fehler der Justiz zu kaschieren, statt Aufklärung zu betreiben."
Hinter dieser Frage bzw. der ministeriellen Antwort steht die von den Piraten erhobene Rüge, entgegen der Behauptung im Durchsuchungsbeschluss habe keine Eilbedürftigkeit bestanden. Mit der angeblichen Flüchtigkeit der Daten im Netz hatte der Durchsuchungsbeschluss begründet, warum nicht auf das bereits angekündigte Rechtshilfeersuchen gewartet werden könne. Da dies allerdings rund einen Monat nach der in Rede stehenden DDoS-Attacke irgendwie nicht so recht überzeugend klang, brauchte man wohl eine andere Erklärung. Vermutlich hat man in der Ermittlungsakte keine gefunden. Also baute man sie sich in einem kleinen Nebensatz zusammen.

Mal gespannt, ob sich die SPD das gefallen lässt. Und wie Herr Hahn dann wohl reagieren wird?

Ich wage mal einen Tipp: Vermutlich wird er sich auf einen Übersetzungsfehler berufen. Schließlich handelt es sich um ein Schreiben in französischer Sprache. Auch wenn es in der Akte vom BKA übersetzt worden war.

Dienstag, 23. August 2011

Verspätung dank Untersuchungshaft

Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr dient bekanntlich der Sicherung der Hauptverhandlung. Ob die Annahme der Fluchtgefahr immer begründet ist, darüber ließe sich sicherlich ein eigenes Blog betreiben. Gerade wenn der Beschuldigte ausländischer Herkunft ist, wird da nach meinem Eindruck nicht mehr lange nachgedacht, sofern nicht sicher absehbar ist, dass maximal eine Geldstrafe zu erwarten steht.

Dass die Untersuchungshaft aber auch zu einer Verzögerung im Verfahren führen kann, durfte ich gestern auf recht ungewöhnliche Weise erleben: Der für 9:30 Uhr terminierte Beginn der Hauptverhandlung musste mehrfach nach hinten verschoben werden, weil mein Mandant nicht da war. Die JVA hatte schlicht und ergreifend vergessen, seinen Transport zu organisieren. Und so begannen wir erst um 13:00 Uhr.

Was mich zu der Anmerkung veranlasste, dass wir das Ganze nur der Anordnung der Untersuchungshaft zu verdanken haben. "Hätten Sie den Haftbefehl auf meinen Antrag hin aufgehoben, hätten wir ohne Verzögerung anfangen können. Mein Mandant wäre pünktlich da gewesen."

Die Reaktion war, sagen wir: indifferent.