Montag, 23. April 2012

Jurist Friedmann

Ein kleiner Dialog aus der "Diskussions"-Sendung "Studio Friedmann", in der er Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, zu Gast hatte:
Michel Friedmann: " Wenn Sie morgen früh in einen Plattenladen gehen, und Sie sehen so ne kleine CD oder so was und sie nehmen das einfach mal so mit, so in die Tasche, ist das Diebstahl oder nicht?"

Marina Weisband: "Das ist Diebstahl."

Michel Friedmann: "Dann erklären Sie diesem nicht so intelligenten Friedmann – ich habe zwar Jura studiert aber in Ihren Augen auch nix kapiert – was ist der Unterschied zwischen einem Plattenladenklau und einem Netzklau?"
Nun, Herr Kollege Friedmann, die Antwort ist eigentlich recht einfach beantwortet. Da gibt es zwei ganz entscheidende Unterschiede.

Zunächst einmal sind CDs Sachen, Dateien hingegen Daten. "Klauen", bzw. juristisch ausgedrückt: stehlen, kann man allerdings nur Sachen, § 242 StGB. Daten im Netz kann man also schon deshalb weder stehlen noch klauen, weil ihnen die Sacheigenschaft fehlt. Das ist übrigens auch der Grund, warum sich Deutschland beim Kauf der Schweizer Bankdaten-CDs nach deutschen Recht nicht der Hehlerei strafbar gemacht hat (die anderen Straftatbestände lassen wir mal weg, dazu habe ich hier schon was geschrieben).

Zudem stellt jeder Down- oder Upload eine Vervielfältigung der Daten dar. Es entstehen dabei zwei absolut identische Dateien. Im Gegensatz zum Plattenladenklau. Dort hat der Inhaber des Ladens nach dem Diebstahl dieses nach wie vor nur eine existierende Exemplar weniger, welches sich dann in meinem Gewahrsam befindet. Genau diesen Verlust des Eigentums stellt § 242 StGB unter Strafe. Deswegen spricht das Gesetz dort von wegnehmen. Beim Down- noch beim Upload nimmt man nicht weg, man vervielfältigt und belässt dem Eigentümer bzw. Besitzer dessen Exemplar.

Merke: Wer glaubt, auf solche Weise Nichtjuristen süffisant mit angeblich eigenem juristischen Sachverstand vorführen zu wollen, macht sich nicht strafbar. Er macht sich lächerlich.

Montag, 2. April 2012

Schweizer Haftbefehle

Seit einigen Tagen haben sich die deutsch-schweizerischen Beziehungen deutlich abgekühlt. Wieder einmal sind die CDs mit Daten deutscher Bankkunden in der Schweiz Gegenstand wechselseitigen Unmuts. Bereits im vorvergangenen Jahr hatten deutsche Steuerfahnder solche erworben, die sich ungetreue Mitarbeiter Schweizer Banken rechtswidrig zusammenkopiert hatten.

Was manchen gestern wie ein Aprilscherz angemutet haben mag, ist indes ernst: Die Schweizer Justiz hat Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder erlassen und mittlerweile sogar Deutschland um Rechtshilfe - sprich: Auslieferung - gebeten. Nach Ansicht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" sei es jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Schweizer Haftbefehle in Deutschland eine Folge haben. Nach dem Europäischen Auslieferungsabkommen werde nur wegen Handlungen ausgeliefert, für die in beiden Staaten eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr drohe.

Offenbar scheint man beim "Spiegel" der Meinung zu sein, der Aufkauf der CDs sei in Deutschland nicht mit Strafe bedroht. Das halte ich angesichts § 257 StGB für eine gewagte Vermutung. Dort heißt es:
Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Der Erwerb der CD stellt eine rechtswidrige Tat dar. Dabei braucht man sich nicht auf das Schweizer Recht zu berufen, nach dem ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis strafbar ist. Auch im Fundus deutscher Strafnormen findet sich etwas, namentlich im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG):
§ 17
Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
(1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Zu dieser Tat haben die Steuerfahnder auch Hilfe geleistet. Dabei braucht man nicht einmal auf die hier nicht näher nachvollziehbare Behauptung des Schweizer Bundesanwalts Michael Lauber zu beziehen, wonach der konkrete Verdacht bestehe, dass in Deutschland "klare Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse" gegeben wurden. In diesem Fall würden wir sogar von Anstiftung (§ 26 StGB) sprechen müssen. Bleiben wir bei dem, was wir sicher sagen können: dem Ankauf der CDs.

Tathandlung im Sinne des § 257 StGB ist, dass der Täter (Steuerfahnder) dem Vortäter ("Datendieb") nach dessen Tat in bestimmter Absicht Hilfe leistet, das heißt eine Handlung vornimmt, die objektiv geeignet ist und subjektiv mit der Tendenz vorgenommen wird, die durch die Vortat erlangten oder entstandenen Vorteile gegen Entziehung zu sichern. Der Bundesgerichtshof (BGHSt 4, 107) hat zu § 257 StGB festgestellt:
"Es muss dem Täter, ohne dass dies der einzige Zweck zu sein braucht, darauf ankommen, die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu verhindern oder zu erschweren.
Der gesetzmäßige Zustand im Sinn dieser Norm bezieht sich dabei auf die Haupttat.

Nach diesen Vorgaben war der Kauf der sog. "Steuersünder-CDs" sowohl objektiv geeignet als auch subjektiv mit der Tendenz vorgenommen, die CDs sowie die darauf enthaltenen Daten (auch) einem Zugriff der Schweizer Behörden bzw. der berechtigten Bank zu entziehen. Zugleich wurden damit dem Vortäter die Vorteile der Tat durch die Zahlung des vereinbarten Preises gesichert.

Das ganze begegnet einer Straferwartung von bis zu drei Jahren (§ 257 Abs. 2 StGB i.V.m. § 17 Abs. 1 UWG).

Man stelle sich vor, die Steuerfahnder würden ausgeliefert. Man stelle sich weiter vor, diese würden dann "auspacken" und erklären, dass ihrem Tätigwerden Anweisungen vorangegangen waren. War es seinerzeit nicht sogar auf höchster politischer Ebene entschieden worden, die CDs zu kaufen? Was wird die Schweiz dann machen?

Vermutlich werden sich alle Beteiligten darauf verständigen, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Rechtsstaat hin oder her: Wenn fiskalische Interessen betroffen sind, muss man eben die Fünf auch mal gerade sein lassen.

Willkommen in der rechtsstaatlichen Realität.

Mittwoch, 23. November 2011

Der "Staatstrojaner" hat jetzt ein Aktenzeichen

Einige Tage herrschte Unklarheit, jetzt ist es amtlich: Die Strafanzeige des Landesverbandes Hessen der Piratenpartei wegen des sog. Staatstrojaners ist bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden angekommen und hat ein Aktenzeichen erhalten. Als Beschuldigte listet die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Volker Bouffier, das Innenministerium sowie DigiTask auf. Besonders bemerkenswert ist aber folgende Ergänzung:
"§ 999 BDSG Straftat nach dem Bundesdatenschutzgesetz"
Da scheint mein Gesetzestext zum BDSG offenbar ziemlich veraltet, endet er doch bei § 48. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sich die Anzeige eigentlich zentral auf §§ 202a-c StGB stützt. Mal sehen, wie das weitergeht.

Sonntag, 20. November 2011

Unerwünschte Kunst im Schlosspark


In einem Strafverfahren sieht man sich zuweilen mit eher exotisch anmutenden Rechtsgebieten konfrontiert. Jedenfalls hätte ich nicht erwartet, mich in einem Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Sachbeschädigung mit dem KunstUrG beschäftigen zu müssen. Auf das hatte sich ein Polizeibeamter berufen, der bei einer Räumung im mittlerwehile berühmten Stuttgarter Schlosspark meinem Mandanten unsanft dessen Handy entrissen hatte, mit dem dieser den Einsatz filmte. Er habe den Eindruck gehabt, er werde direkt gefilmt, also quasi portraitiert, rechtfertigte sich der Beamte. Das stelle einen Verstoß gegen dieses Gesetzes dar, gegen den er sich mit dem Einsatz einfacher Gewalt habe zur Wehr setzen dürfen. Das Widersetzen meines Mandanten gegen diese Gewalt war Gegenstand der Anklage.

Die Gewalt des Polizisten hätte er sich indes klag- und wehrlos gefallen lassen müssen, meinte die Stuttgarter Justiz. Die Hand an einen Polizisten zu legen, das gehe nun einmal nicht, da waren sich der Beamte sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft einig. Selbst wenn mein Mandant, wie er beteuerte, den Polizisten nicht als solchen erkennen konnte, weil dieser sich von hinten genähert habe. Eine Rechtsauffassung, die dem Gericht so plausibel erschien, wie sie mich überraschte. Wie soll dann der Polizist gefilmt worden sein können? Wozu haben wir dann das schöne KunstUrhG gebraucht?

Zum Spruch kam es glücklicherweise dennoch nicht, da wir uns auf eine Einstellung einigten, nachdem sich u.a. herausgestellt hatte, dass mein Mandant letztlich zufällig dort war. Ob das auch geklappt hätte, wäre er ein sog. „Parkschützer“ gewesen?

Jedenfalls hoffe ich, dass sich die in der Hauptverhandlung dargelegte Rechtsauffassung nicht durchsetzt. Allein schon, weil es schade wäre, nie wieder was vom KunstUrhG zu lesen…

Freitag, 11. November 2011

Iranische Geschäftsgepflogenheiten?

Der Zeuge ist nach eigenem Bekunden iranischer Geschäftsmann. Unter anderem kaufe man Immobilien. Entsprechend war auch sein Auftreten: edler Anzug, dezenter Goldschmuck, die Uhr aus einem der bekannten Fabrikationshäuser, zwar deutlicher Akzent, dennoch betont gute Sprache.

Überhaupt nicht zu diesem Eindruck passen wollte dann aber das, was er uns darüber erzählte, wie er mit seinem Schwager, dem in Teheran lebenden Geschäftsführer der GmbH, diese Immobiliengeschäfte angeblich betreibt: Ohne Vorlage eines Exposés, ohne Darstellung der Rentabilität, lediglich aufgrund eines Fotos und des Kaufpreises fliegt man demnach schon mal von Teheran nach Frankfurt, um sich dort die Immobilie anzuschauen. "Man muss das Objekt sehen, nur dann kann man entscheiden." Ah, ja...

Den Begriff "Rentabilitätsfaktor" kannte er nicht. Auch nach Beschreibung, was wir damit meinten, zuckte er nur mit den Schultern. Wirtschaftlichkeitsberechnungen braucht er angeblich auch nicht. Soso...

Das ganze wird verständlich, wenn man den Hintergrund der Anklage kennt: Mein Mandant soll auf Basis von Scheinrechnungen, denen keine reele Leistung zu Grunde gelegen habe, gegen die GmbH vorgegangen sein. Diese Rechnungen bezogen sich, der Leser wird es bereits antizipiert haben, auf Dienste im Zusammenhang mit beabsichtigten Immobilienkäufen. "Dazu wurde uns aber nur ein Bild und ein Kaufpreis genannt, mehr haben wir nicht bekommen. Nachdem wir uns die Objekte angeschaut hatten, haben wir Abstand von einem Kauf genommen."

Nach einigem Nachfragen war für alle Verfahrensbeteiligte recht schnell klar: Das war alles andere als überzeugend. Oder wie die Richterin anmerkte: "Ich weiß nicht wie das im Iran so ist, aber in Deutschland muss ich dafür bezahlen, wenn ich Dienstleistungen in Anspruch nehme." Die Vorstellung, ohne hinreichende Informationen Objekte im Wert von zwischen 20 und 40 Mio. Euro kaufen zu wollen und deswegen auf gut Glück nach Deutschland zu reisen, schaffte auch die Staatsanwältin nicht.

Einhellige Konsequenz: Freispruch. "Erster Klasse", wie die Richterin in der Begründung meinte. "Nicht zweiter Klasse, wie bei Herrn Kachelmann."

Nachtrag:
Zugegeben, da mögen im Eifer des Gefechts einige Infos rund um den Fall außen vor geblieben sein. Dazu hätte ich zweifelsohne Näheres darstellen können, ein Versäumnis, für das ich mich entschuldige und verspreche, in Zukunft noch mehr darauf zu achten, dass mir solche Unklarheiten nicht mehr unterlaufen.

Aber bei allem Verständnis für die Kritik in den Kommentaren: Rassistisch ist der Post nun wirklich nicht. Zunächst steht die Überschrift mit einem "?" Der Bezug zum Iran ergab sich vor allem daraus, dass eben die Richterin anmerkte, dass sie über die entsprechenden Verhältnisse in diesem Land nichts wisse, was ich als die in der Überschrift gefasste Frage interpretiert hatte. Wer den gesamten Artikel gelesen hat, dürfte daneben erkennen, dass ich weniger den Iran oder die Herkunft des Zeugen sondern ganz gezielt seine - höchstpersönliche! - Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen habe. Gerade weil ich davon überzeugt bin, dass Immobiliengeschäfte überall auf der Welt mehr oder weniger gleichartig ablaufen, jedenfalls aber nicht so, wie der Zeuge im Rahmen seiner Aussage versuchte, uns weiß zu machen. Und da hilft dann eben nicht, wenn man wie ein internationaler Immobilienhändler auftritt.

Dienstag, 18. Oktober 2011

Sparen am Rechtsstaat

Am gestrigen sechsten Hauptverhandlungstag eines alles in allem bislang "friedlichen" Strafverfahrens war es nun doch so weit: Der Ton wurde rauer. Zugegebenermaßen trage auch ich meinen Anteil daran. Weil ich es einfach nicht mehr akzeptieren kann, dass mein Mandant nach einem Jahr Untersuchungshaft seit jetzt mehr als einem Monat in verschiedenen Haftanstalten im sogenannten "Zugang" verbringen muss, seine "Habe" einschließlich Kleidung, kosmetischer Artikel, etc. seither nicht mehr gesehen hat und er in der ganzen Zeit sage und schreibe zweieinhalb Stunden die Möglichkeit bekam, sich durch Einsicht in die ihm überlassene DVD mit der eingescannten Ermittlungsakte auf die teilweise umfangreichen Zeugenvernehmungen in der laufenden Hauptverhandlung vorzubereiten. Meine darauf basierenden Anträge und Beschwerden haben daher mittlerweile einen eher bitteren Ton.

Richtig laut wurde es heute aber angesichts der Reaktion des Staatsanwalts auf einen meiner Anträge:
"Wenn sich der Staat schon zwei Pflichterverteidiger leistet, muss er halt in anderen Bereichen sparen."
Gerne. Fangen wir mit am besten den Kosten für die Untersuchungshaft an.

Montag, 17. Oktober 2011

Von Weisungsrechten, Staatstrojanern und Strafanzeigen

Heute hat der Landesverband Bayern der Piratenpartei Strafanzeige wegen der Einsätze des sog. "Staatstrojaners" erstattet. Dafür konnte er den geschätzten Kollegen Stadler gewinnen, den ich dabei unterstützen durfte.

In diesem Zusammenhang und quasi in Ergänzung zu meinen vorangegangenen Überlegungen zu diesem Thema scheint mir angebracht, über die strafrechtlich Verantwortlichen nachzudenken. Insbesondere auf Basis des bereits zitierten Artikels der Frankfurter Rundschau. Dort heißt es:
"Interne Schriftwechsel aus dem Bayerischen Justizministerium  zeigen, dass schon vor vier Jahren mit der Entwicklung und dem Einsatz  von rechtswidriger Überwachungssoftware begonnen wurde – und dass der  Staat die Kontrolle über das Programm der Trojaner  in die Hände  privater Firmen  legte. In dem Schriftwechsel zwischen Ministerium, Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten, der der FR  vorliegt, geht es  um eine Spionagesoftware, die von der Firma DigiTask  im hessischen Haiger entwickelt wurde. 
In der  „Leistungsbeschreibung“ von DigiTask finden sich alle Spionage-Funktionen, die jetzt  beim Bundestrojaner als rechtswidrig  gebrandmarkt werden: Detailliert wird etwa die „Live-Ausleitung“, des  Sprach-, Video-, und Chatverkehrs sowie der kompletten Dateiübertragung  beschrieben – also das Ausspionieren eines PC-Nutzers in Echtzeit. Ebenso die Möglichkeit des heimlichen  Hochladens weiterer Programme auf den  Rechner des Überwachten: „Update unbemerkt über den normalen  Datenstrom“. Selbst verschlüsselte Kommunikation könne man  mit einer  „Capture-Unit“ in Echtzeit ausspionieren und an einen „Recording-Server“  leiten. Mit „mobilen Auswertstationen“ und einem mitgelieferten Multimediaplayer könnten dann alle  Kommunikationsarten wie Schrift, Sprache und Videos „live wiedergegeben werden“, so die Firma."
Das alles hätten demnach Verantwortliche im Innenministerium, die OLG-Präsidenten sowie die Generalstaatsanwälte bereits von Anfang an gewusst. Schlimm, dass keiner von ihnen rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Totalüberwachung gehabt zu haben scheint. Viel schlimmer aber, dass keiner von ihnen etwas unternommen hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht all diese Punkte für verfassungswidrig erachtet hat. Gerade die Herren Generalstaatsanwälte in Bamberg, München und Nürnberg hätten aufgrund ihrer Weisungskompetenz da doch dringend tätig werden müssen.

Ein kurzer Blick in die Kommentierung zu § 13 StGB zeigt, dass man hier ohne großen argumentativen Aufwand durchaus von einer strafrechtlichen Verantwortung dieser Herren ausgehen kann. Die notwendige Verpflichtung, spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf die weitere Verwendung des Trojaners zu verzichten und entsprechende Anweisungen zu geben, scheint mir da aus vielen Gründen gegeben. 

So hat der Staat eine allgemeine Verpflichtung zur präventiven Vorsorge für die Sicherheit der Rechtsgüter seiner Bürger. Hieraus lässt sich zwar keine allgemeine Garantenpflicht der Mitarbeiter staatlicher Stellen zur Verhinderung von Rechtsgüterverletzungen durch Dritte ableiten; eine solche Pflicht kann sich nur im Einzelfall allerdings aus rechtlicher Pflichtzuweisung ergeben.

Genau diesen Fall einer Garantenstellung haben wir hier aber: Sowohl die Präsidenten der OLGe wie auch die Generalstaatsanwälte haben aufgrund der ihnen zugewiesenen Pflichten im Gefüge der Strafverfolgung bzw. Strafjustiz für die Wahrung der Rechtsgüter der Bürger durch die Strafverfolgungsorgane Sorge zu tragen. Dies vor allem und gerade dann, wenn ihnen positiv bekannt ist, was der Trojaner alles leisten kann und was er - jedenfalls nach der einschlägigen Entscheidung des BVerfG - tatsächlich im Rahmen der Verfassung darf. Mit Kenntnis dieser Entscheidung wussten sie, dass die Ermittlungsorgane ein Programm einsetzen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Aufgrund ihrer unstreitig sehr hohen strafrechtlichen Qualifikation mussten sie zumindest auch erkennen, dass dessen Einsatz ggf. sogar strafbar ist. In diesem Moment standen sie somit gerade wegen der ihnen durch ihre Postition zugewiesenen Aufgaben in der Pflicht, den zuvor von ihnen selbst initiierten Einsatz des Trojaners zu stoppen.

Eine Garantenpflicht ergibt sich im übrigen auch aus sog. "Ingerenz", also aus der tatsächlichen Herbeiführung einer Gefahrenlage. Die Gefahr kann nach der Rspr. des BGH durch Tun oder Unterlassen, verschuldet oder schuldlos herbeigeführt werden, rechtswidrig oder ethisch verwerflich sein. Das Vorverhalten muss allerdings zu einer Gefahrerhöhung, einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts geführt haben. Nach wohl überwiegender Auffassung setzt die Garantenstellung aus vorangegangenem Handeln eine objektive Pflichtwidrigkeit voraus. Anerkannt ist insoweit, dass die vorsätzliche Beteiligung an der Verursachung einer rechtsgutgefährdenden Lage eine Garantenstellung zur Abwendung vorhersehbarer weiter gehender Erfolge begründet.

Diesen Fall haben wir hier: Die von der Frankfurter Rundschau Benannten haben mit dem Kauf des Trojaners in Kenntnis der Tatsache, dass mit diesem weit mehr als nur die Quellen-TKÜ gemacht werden kann, eine Lage verursacht, durch die die Rechtsgüter der davon Betroffenen erheblich gefährdet wurden. Das Schaffen dieser Lage mag ursprünglich mangels Vorsatz noch nicht strafbar gewesen sein. Mit Kenntnis der Entscheidung des BVerfG war indes klar, dass jeder weitere Einsatz des Trojaners zu erheblichen und letztlich auch strafbaren Rechtsgutverletzungen der Ausgespähten führen musste.

Ich bin jetzt gespannt, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft gelangt, gerade im Hinblick darauf, dass die Herren Generalstaatsanwälte ihr Weisungs- und Direktionsrecht aus § 147 GVG nicht genutzt haben, um den Einsatz des Trojaners dann zu verhindern, als die Verfassungswidrigkeit offenbar geworden war.

Vermutlich werden sie sich spätestens jetzt wieder an dieses Direktionsrecht erinnern und die Staatsanwaltschaften anweisen, nicht zu ermitteln.