Heute hat der Landesverband Bayern der Piratenpartei
Strafanzeige wegen der Einsätze des sog. "Staatstrojaners" erstattet. Dafür konnte er den geschätzten Kollegen Stadler gewinnen, den ich dabei unterstützen durfte.
In diesem Zusammenhang und quasi in Ergänzung zu meinen vorangegangenen
Überlegungen zu diesem Thema scheint mir angebracht, über die strafrechtlich Verantwortlichen nachzudenken. Insbesondere auf Basis des bereits zitierten Artikels der
Frankfurter Rundschau. Dort heißt es:
"Interne
Schriftwechsel aus dem Bayerischen Justizministerium zeigen, dass schon
vor vier Jahren mit der Entwicklung und dem Einsatz von rechtswidriger
Überwachungssoftware begonnen wurde – und dass der Staat die Kontrolle
über das Programm der Trojaner in die Hände privater Firmen legte.
In dem Schriftwechsel zwischen Ministerium, Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten, der der FR
vorliegt, geht es um eine Spionagesoftware, die von der Firma
DigiTask im hessischen Haiger entwickelt wurde.
In
der „Leistungsbeschreibung“ von DigiTask finden sich alle Spionage-Funktionen, die jetzt beim Bundestrojaner als rechtswidrig
gebrandmarkt werden: Detailliert wird etwa die „Live-Ausleitung“, des
Sprach-, Video-, und Chatverkehrs sowie der kompletten Dateiübertragung
beschrieben – also das Ausspionieren eines PC-Nutzers in Echtzeit. Ebenso die Möglichkeit des heimlichen Hochladens weiterer Programme auf den
Rechner des Überwachten: „Update unbemerkt über den normalen
Datenstrom“. Selbst verschlüsselte Kommunikation könne man mit einer
„Capture-Unit“ in Echtzeit ausspionieren und an einen
„Recording-Server“ leiten. Mit „mobilen Auswertstationen“ und einem
mitgelieferten Multimediaplayer könnten dann alle
Kommunikationsarten wie Schrift, Sprache und Videos „live wiedergegeben
werden“, so die Firma."
Das alles hätten demnach Verantwortliche im Innenministerium, die OLG-Präsidenten sowie die Generalstaatsanwälte bereits von Anfang an gewusst. Schlimm, dass keiner von ihnen rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Totalüberwachung gehabt zu haben scheint. Viel schlimmer aber, dass keiner von ihnen etwas unternommen hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht all diese Punkte für verfassungswidrig erachtet hat. Gerade die Herren Generalstaatsanwälte in Bamberg, München und Nürnberg hätten aufgrund ihrer Weisungskompetenz da doch dringend tätig werden müssen.
Ein kurzer Blick in die Kommentierung zu
§ 13 StGB zeigt, dass man hier ohne großen argumentativen Aufwand durchaus von einer strafrechtlichen Verantwortung dieser Herren ausgehen kann. Die notwendige Verpflichtung, spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf die weitere Verwendung des Trojaners zu verzichten und entsprechende Anweisungen zu geben, scheint mir da aus vielen Gründen gegeben.
So hat der
Staat eine allgemeine Verpflichtung zur präventiven Vorsorge für
die Sicherheit der Rechtsgüter seiner Bürger. Hieraus lässt sich zwar
keine allgemeine Garantenpflicht der Mitarbeiter staatlicher Stellen zur
Verhinderung von Rechtsgüterverletzungen durch Dritte ableiten; eine
solche Pflicht kann sich nur im Einzelfall allerdings aus rechtlicher
Pflichtzuweisung ergeben.
Genau
diesen Fall einer Garantenstellung haben wir hier aber: Sowohl die
Präsidenten der OLGe wie auch die Generalstaatsanwälte haben aufgrund der ihnen
zugewiesenen Pflichten im Gefüge der Strafverfolgung bzw. Strafjustiz
für die Wahrung der Rechtsgüter der Bürger durch die
Strafverfolgungsorgane Sorge zu tragen. Dies vor allem und gerade dann,
wenn ihnen positiv bekannt ist, was der
Trojaner alles leisten kann und was er - jedenfalls nach der
einschlägigen Entscheidung des BVerfG - tatsächlich im Rahmen der
Verfassung darf. Mit Kenntnis dieser Entscheidung wussten sie, dass die Ermittlungsorgane ein Programm einsetzen, dass den
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Aufgrund ihrer unstreitig sehr hohen strafrechtlichen Qualifikation mussten sie zumindest auch erkennen, dass dessen Einsatz ggf. sogar strafbar
ist. In diesem Moment standen sie somit gerade wegen der ihnen
durch ihre Postition zugewiesenen Aufgaben in der Pflicht, den zuvor von ihnen selbst initiierten Einsatz des Trojaners zu
stoppen.
Eine Garantenpflicht ergibt sich im übrigen auch aus sog. "Ingerenz", also
aus der tatsächlichen Herbeiführung einer Gefahrenlage. Die Gefahr kann nach der Rspr. des BGH durch Tun oder
Unterlassen, verschuldet oder schuldlos herbeigeführt werden,
rechtswidrig oder ethisch verwerflich sein. Das Vorverhalten muss allerdings
zu einer Gefahrerhöhung, einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts
geführt haben. Nach wohl überwiegender Auffassung setzt die
Garantenstellung aus vorangegangenem Handeln eine objektive
Pflichtwidrigkeit voraus. Anerkannt ist insoweit, dass die vorsätzliche
Beteiligung an der Verursachung einer rechtsgutgefährdenden Lage eine
Garantenstellung zur Abwendung vorhersehbarer weiter gehender Erfolge
begründet.
Diesen
Fall haben wir hier: Die von der Frankfurter Rundschau Benannten haben mit dem Kauf des Trojaners in
Kenntnis der Tatsache, dass mit diesem weit mehr als nur die Quellen-TKÜ
gemacht werden kann, eine Lage verursacht, durch die die Rechtsgüter der davon Betroffenen erheblich gefährdet wurden. Das Schaffen dieser Lage mag ursprünglich mangels Vorsatz noch nicht strafbar gewesen sein. Mit
Kenntnis der Entscheidung des BVerfG war indes klar, dass jeder weitere
Einsatz des Trojaners zu erheblichen und letztlich auch strafbaren Rechtsgutverletzungen
der Ausgespähten führen musste.
Ich bin jetzt gespannt, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft gelangt, gerade im Hinblick darauf, dass die Herren Generalstaatsanwälte ihr Weisungs- und Direktionsrecht aus § 147 GVG nicht genutzt haben, um den Einsatz des Trojaners dann zu verhindern, als die Verfassungswidrigkeit offenbar geworden war.
Vermutlich werden sie sich spätestens jetzt wieder an dieses Direktionsrecht erinnern und die Staatsanwaltschaften anweisen, nicht zu ermitteln.