Seit einigen Tagen haben sich die deutsch-schweizerischen Beziehungen deutlich abgekühlt. Wieder einmal sind die CDs mit Daten deutscher Bankkunden in der Schweiz Gegenstand wechselseitigen Unmuts. Bereits im vorvergangenen Jahr hatten deutsche Steuerfahnder solche erworben, die sich ungetreue Mitarbeiter Schweizer Banken rechtswidrig zusammenkopiert hatten.
Was manchen gestern wie ein Aprilscherz angemutet haben mag, ist indes ernst: Die Schweizer Justiz hat Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder erlassen und mittlerweile sogar Deutschland um Rechtshilfe - sprich: Auslieferung - gebeten.
Nach Ansicht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" sei es jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Schweizer Haftbefehle in Deutschland eine Folge haben. Nach dem
Europäischen Auslieferungsabkommen werde nur wegen Handlungen ausgeliefert, für die in beiden Staaten eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr drohe.
Offenbar scheint man beim "Spiegel" der Meinung zu sein, der Aufkauf der CDs sei in Deutschland nicht mit Strafe bedroht. Das halte ich angesichts § 257 StGB für eine gewagte Vermutung. Dort heißt es:
Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der
Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Der Erwerb der CD stellt eine rechtswidrige Tat dar. Dabei braucht man sich nicht auf das Schweizer Recht zu berufen, nach dem ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis strafbar ist. Auch im Fundus deutscher Strafnormen findet sich etwas, namentlich im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG):
§ 17
Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen
(1) Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein
Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des
Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist,
während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu
Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in
der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
Zu dieser Tat haben die Steuerfahnder auch Hilfe geleistet. Dabei braucht man nicht einmal auf die hier nicht näher nachvollziehbare
Behauptung des Schweizer Bundesanwalts Michael Lauber zu beziehen, wonach der konkrete Verdacht bestehe, dass in Deutschland "klare Aufträge
zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse" gegeben wurden. In diesem Fall würden wir sogar von Anstiftung (§ 26 StGB) sprechen müssen. Bleiben wir bei dem, was wir sicher sagen können: dem Ankauf der CDs.
Tathandlung im Sinne des § 257 StGB ist, dass der Täter (Steuerfahnder) dem Vortäter ("Datendieb") nach dessen Tat in bestimmter Absicht Hilfe leistet, das heißt eine Handlung vornimmt, die objektiv geeignet ist und subjektiv mit der Tendenz vorgenommen wird, die durch die Vortat erlangten oder entstandenen Vorteile gegen Entziehung zu sichern. Der Bundesgerichtshof (BGHSt 4, 107) hat zu § 257 StGB festgestellt:
"Es muss dem Täter, ohne dass dies der einzige Zweck zu sein braucht, darauf ankommen, die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu verhindern oder zu erschweren.
Der gesetzmäßige Zustand im Sinn dieser Norm bezieht sich dabei auf die Haupttat.
Nach diesen Vorgaben war der Kauf der sog. "Steuersünder-CDs" sowohl objektiv geeignet als auch subjektiv mit der Tendenz vorgenommen, die CDs sowie die darauf enthaltenen Daten (auch) einem Zugriff der Schweizer Behörden bzw. der berechtigten Bank zu entziehen. Zugleich wurden damit dem Vortäter die Vorteile der Tat durch die Zahlung des vereinbarten Preises gesichert.
Das ganze begegnet einer Straferwartung von bis zu drei Jahren (§ 257 Abs. 2 StGB i.V.m. § 17 Abs. 1 UWG).
Man stelle sich vor, die Steuerfahnder würden ausgeliefert. Man stelle sich weiter vor, diese würden dann "auspacken" und erklären, dass ihrem Tätigwerden Anweisungen vorangegangen waren. War es seinerzeit nicht sogar auf höchster politischer Ebene entschieden worden, die CDs zu kaufen? Was wird die Schweiz dann machen?
Vermutlich werden sich alle Beteiligten darauf verständigen, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Rechtsstaat hin oder her: Wenn fiskalische Interessen betroffen sind, muss man eben die Fünf auch mal gerade sein lassen.
Willkommen in der rechtsstaatlichen Realität.