Montag, 17. Oktober 2011

Von Weisungsrechten, Staatstrojanern und Strafanzeigen

Heute hat der Landesverband Bayern der Piratenpartei Strafanzeige wegen der Einsätze des sog. "Staatstrojaners" erstattet. Dafür konnte er den geschätzten Kollegen Stadler gewinnen, den ich dabei unterstützen durfte.

In diesem Zusammenhang und quasi in Ergänzung zu meinen vorangegangenen Überlegungen zu diesem Thema scheint mir angebracht, über die strafrechtlich Verantwortlichen nachzudenken. Insbesondere auf Basis des bereits zitierten Artikels der Frankfurter Rundschau. Dort heißt es:
"Interne Schriftwechsel aus dem Bayerischen Justizministerium  zeigen, dass schon vor vier Jahren mit der Entwicklung und dem Einsatz  von rechtswidriger Überwachungssoftware begonnen wurde – und dass der  Staat die Kontrolle über das Programm der Trojaner  in die Hände  privater Firmen  legte. In dem Schriftwechsel zwischen Ministerium, Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten, der der FR  vorliegt, geht es  um eine Spionagesoftware, die von der Firma DigiTask  im hessischen Haiger entwickelt wurde. 
In der  „Leistungsbeschreibung“ von DigiTask finden sich alle Spionage-Funktionen, die jetzt  beim Bundestrojaner als rechtswidrig  gebrandmarkt werden: Detailliert wird etwa die „Live-Ausleitung“, des  Sprach-, Video-, und Chatverkehrs sowie der kompletten Dateiübertragung  beschrieben – also das Ausspionieren eines PC-Nutzers in Echtzeit. Ebenso die Möglichkeit des heimlichen  Hochladens weiterer Programme auf den  Rechner des Überwachten: „Update unbemerkt über den normalen  Datenstrom“. Selbst verschlüsselte Kommunikation könne man  mit einer  „Capture-Unit“ in Echtzeit ausspionieren und an einen „Recording-Server“  leiten. Mit „mobilen Auswertstationen“ und einem mitgelieferten Multimediaplayer könnten dann alle  Kommunikationsarten wie Schrift, Sprache und Videos „live wiedergegeben werden“, so die Firma."
Das alles hätten demnach Verantwortliche im Innenministerium, die OLG-Präsidenten sowie die Generalstaatsanwälte bereits von Anfang an gewusst. Schlimm, dass keiner von ihnen rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Totalüberwachung gehabt zu haben scheint. Viel schlimmer aber, dass keiner von ihnen etwas unternommen hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht all diese Punkte für verfassungswidrig erachtet hat. Gerade die Herren Generalstaatsanwälte in Bamberg, München und Nürnberg hätten aufgrund ihrer Weisungskompetenz da doch dringend tätig werden müssen.

Ein kurzer Blick in die Kommentierung zu § 13 StGB zeigt, dass man hier ohne großen argumentativen Aufwand durchaus von einer strafrechtlichen Verantwortung dieser Herren ausgehen kann. Die notwendige Verpflichtung, spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf die weitere Verwendung des Trojaners zu verzichten und entsprechende Anweisungen zu geben, scheint mir da aus vielen Gründen gegeben. 

So hat der Staat eine allgemeine Verpflichtung zur präventiven Vorsorge für die Sicherheit der Rechtsgüter seiner Bürger. Hieraus lässt sich zwar keine allgemeine Garantenpflicht der Mitarbeiter staatlicher Stellen zur Verhinderung von Rechtsgüterverletzungen durch Dritte ableiten; eine solche Pflicht kann sich nur im Einzelfall allerdings aus rechtlicher Pflichtzuweisung ergeben.

Genau diesen Fall einer Garantenstellung haben wir hier aber: Sowohl die Präsidenten der OLGe wie auch die Generalstaatsanwälte haben aufgrund der ihnen zugewiesenen Pflichten im Gefüge der Strafverfolgung bzw. Strafjustiz für die Wahrung der Rechtsgüter der Bürger durch die Strafverfolgungsorgane Sorge zu tragen. Dies vor allem und gerade dann, wenn ihnen positiv bekannt ist, was der Trojaner alles leisten kann und was er - jedenfalls nach der einschlägigen Entscheidung des BVerfG - tatsächlich im Rahmen der Verfassung darf. Mit Kenntnis dieser Entscheidung wussten sie, dass die Ermittlungsorgane ein Programm einsetzen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird. Aufgrund ihrer unstreitig sehr hohen strafrechtlichen Qualifikation mussten sie zumindest auch erkennen, dass dessen Einsatz ggf. sogar strafbar ist. In diesem Moment standen sie somit gerade wegen der ihnen durch ihre Postition zugewiesenen Aufgaben in der Pflicht, den zuvor von ihnen selbst initiierten Einsatz des Trojaners zu stoppen.

Eine Garantenpflicht ergibt sich im übrigen auch aus sog. "Ingerenz", also aus der tatsächlichen Herbeiführung einer Gefahrenlage. Die Gefahr kann nach der Rspr. des BGH durch Tun oder Unterlassen, verschuldet oder schuldlos herbeigeführt werden, rechtswidrig oder ethisch verwerflich sein. Das Vorverhalten muss allerdings zu einer Gefahrerhöhung, einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts geführt haben. Nach wohl überwiegender Auffassung setzt die Garantenstellung aus vorangegangenem Handeln eine objektive Pflichtwidrigkeit voraus. Anerkannt ist insoweit, dass die vorsätzliche Beteiligung an der Verursachung einer rechtsgutgefährdenden Lage eine Garantenstellung zur Abwendung vorhersehbarer weiter gehender Erfolge begründet.

Diesen Fall haben wir hier: Die von der Frankfurter Rundschau Benannten haben mit dem Kauf des Trojaners in Kenntnis der Tatsache, dass mit diesem weit mehr als nur die Quellen-TKÜ gemacht werden kann, eine Lage verursacht, durch die die Rechtsgüter der davon Betroffenen erheblich gefährdet wurden. Das Schaffen dieser Lage mag ursprünglich mangels Vorsatz noch nicht strafbar gewesen sein. Mit Kenntnis der Entscheidung des BVerfG war indes klar, dass jeder weitere Einsatz des Trojaners zu erheblichen und letztlich auch strafbaren Rechtsgutverletzungen der Ausgespähten führen musste.

Ich bin jetzt gespannt, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft gelangt, gerade im Hinblick darauf, dass die Herren Generalstaatsanwälte ihr Weisungs- und Direktionsrecht aus § 147 GVG nicht genutzt haben, um den Einsatz des Trojaners dann zu verhindern, als die Verfassungswidrigkeit offenbar geworden war.

Vermutlich werden sie sich spätestens jetzt wieder an dieses Direktionsrecht erinnern und die Staatsanwaltschaften anweisen, nicht zu ermitteln.

4 Kommentare:

  1. Die Einstellung dürfte in Bayern schneller gehen als das Abfassen der Anzeige :(

    AntwortenLöschen
  2. Lieber Herr Kollege,

    spannend könnte auch werden, ob der Fall nicht Fragen des "Täters hinter dem Täter" aufwirft. Ich denke insbes. an die Generalstaatsanwälte, die als Chefs eines Behördenapparats eine bestimmte Weisungslage schaffen oder nicht ändern, der die weisungsgebundenen Staatsanwälte - zumal im CSU-dominierten Freistaat - jdf. nicht ohne letale Folgen für die eigene Karriere entgehen konnten.

    Auf diese Weise wurden ja dem SED-Politbüro auch eine Reihe von Taten zugerechnet, die andere ohne Verantwortlichkeitsdefizit im Sinne der klassischen Dogmatik zur mittelbaren Täterschaft begangen hatten ... ich will die für die illegalen Trojaner-Einsätze Verantwortlichen natürlich nicht pauschal mit den SED-Bonzen vergleichen, aber aus strafrechtdogmatischer Sicht könnte die Lage durchaus analog zu sehen sein.

    Beste Grüße!

    AntwortenLöschen
  3. War es denn nicht möglich, einen Betroffenen der Maßnahmen für eine Strafanzeige zu finden? Denn dann müsste doch bei Einstellung der Ermittlungen ein Klageerzwingungsverfahren möglich sein oder?

    AntwortenLöschen
  4. Unterscheiden sich diese Herren eigentlich mehr von Ihren Vätern als dass sie jünger sind?

    AntwortenLöschen