Dienstag, 31. Mai 2011

#servergate: AG hilft der Beschwerde nicht ab

Neues aus Darmstadt: Das Amtsgericht hat der Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss nicht abgeholfen und die Sache zwecks Vorlage beim Landgericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. (Die Vorgeschichte gibt's hier.) Gut, das ist jetzt nicht wirklich überraschend, da diese Entscheidung vom selben Richters stammt, der schon den Beschluss erlassen hat. Und ich habe nicht wirklich geglaubt, dass er auf eine anwaltliche Beschwerde hin zu dem Ergebnis kommt, beim Erlass des Durchsuchungsbeschlusses graviernde Fehler gemacht zu haben.

Bei meiner Anfrage zeigte sich das Amtsgericht allerdings überrascht, als ich monierte, keine entsprechende Information von der Nichtabhilfeentscheidung erhalten zu haben: "Das wird doch nur in der Akte vermerkt, das geben wir nie raus." Nun, das kenne ich auch anders, aber sei's drum.

Jetzt warte ich gespannt, was das Landgericht sagt. Und hoffe, dass es nicht allzu lange dauert.

Kachelmann: In dubio pro reo.

Heute hat das Landgericht Mannheim Jörg Kachelmann freigesprochen. Damit geht zumindest die erste Runde des mediengehypten Strafverfahrens zu Ende. Vermutlich wird das ganze aber beim Bundesgerichtshof landen, da die Staatsanwaltschaft bereits im Vorfeld der Entscheidung für diesen Fall angekündigt hat, Revision einzulegen.

Das Urteil war landauf, landab mit großer Spannung erwartet worden; viele haben sich in den vergangenen Monaten an Spekulationen versucht, ob er nun seine ehemalige Geliebte mit einem Messer und Gewalt zum Sex gezwungen hat. Ich werde mich daran jedoch nicht beteiligen, allem voran deshalb, weil ich die Ermittlungsergebnisse und Erkenntnisse der Hauptverhandlung nicht kenne. Darauf habe ich auch regelmäßig hingewiesen, wenn ich zu meiner Meinung gefragt wurde, was gerade im Freundeskreis vorgekommen ist.

Trotzdem habe ich zum Schluss dann doch gehofft, dass das Gericht sich zu einem Freispruch durchringen möge. Nicht aus männlicher Solidarität und auch nicht, weil mir die Verteidigungssituation näher liegt. Sondern wegen Frau Schwarzer. Sie hat es mit ihren jüngsten Äußerungen bei Maybritt Illner geschafft, dass ich dann letztlich doch noch innerlich Position zur Causa "Kachelmann" bezogen habe. Dort hatte sie als Zeichen gegen sexuelle Gewalt gefordert, es müsse in einem solchen Fall auch ein „Im Zweifel für das Opfer“ gelten können.

Damit hat Frau Schwarzer ungewollt zugegeben, dass auch sie nach der Hauptverhandlung noch sehr viel Raum für Zweifel an der Täterschaft des Herrn Kachelmann sieht. Sonst hätte sie wohl kaum über die Bedeutung des Zweifelssatzes sinniert. Dann aber darf es in einem Rechtsstaat nur eine Entscheidung geben und die heißt: Freispruch.

Über das zugleich zum Ausdruck gekommene, aus meiner Sicht völlig krude rechtsstaatliche Verständnis der "Emma"-Herausgeberin mag sich im übrigen jeder seine eigene Meinung bilden.

Freitag, 27. Mai 2011

Post von Frau Mubarak

Jetzt habe ich geschafft, ich bin prominent!

Frau Mubarak (ja, genau die) bittet mich per eMail um Hilfe, ihr 105 Mio. US$ schweres Privatvermögen aus Ägypten herauszubekommen und zu sichern. Gegen eine stattliche Entlohnung, versteht sich. Leider sind aber alle Telefone überwacht, so dass vertraulicher Kontakt nur über eMail möglich ist, schreibt sie.

Ich frage mich, ob es tatsächlich Menschen gibt, die auf solche Mails reagieren? Und die dann die vermutlich angeforderten und unbedingt notwendigen ersten Zahlungen auf ein Konto eines "vertrauenswürdigen Freundes" irgendwo auf dieser Welt leisten, denn vermutlich wird man dazu als nächstes aufgefordert. Aber wie einem die Erfahrungen des Jobs zeigen, gibt es keine Geschichte, die deutlich genug stinkt, als dass sie nicht jemand glauben würde. Manchmal denke ich, je offensichtlicher der Betrug, desto weniger kritisch wird das potenzielle Opfer. Hauptsache, die Zahlen sind groß genug.

Dienstag, 24. Mai 2011

Wahrheitspflicht im Zivilprozess

Aus dem Schriftsatz des Kollegen:
"Angsichts des Inhalts der Klageerwiderung stellt sich die Frage, ob der Beklagte über seine Wahrheitspflicht unterrichtet wurde."
Oh mein Gott!! Schweißgebadet suche ich die Telefonnummer meiner Haftpflichtversicherung. Habe ich da einen Regress "gebaut"? Ob die in einem solchen Fall deckt? Oder sollte ich doch lieber erst einen strafrechtlich bewanderten Kollegen anrufen?

Ich entscheide mich dann doch dafür, das Gericht darauf hinzuweisen, dass die Klageerwiderung u.a. auf den Angaben der von mir benannten Zeugin basiert. Und dass das vom Gegner initiierte Ermittlungsverfahren nach § 170 II StPO eingestellt wurde. Und dass er sinnigerweise in weiten Bereichen nur seine eigene Vernehmung als Partei angeboten hat.

Manchmal sind Zivilverfahren doch sehr lustig - vor allem, wenn man solche Schriftsätze bekommt. So gesehen: Herzlichen Dank, Herr Kollege. Oder im Twitter-Slang: ymmd!

Montag, 23. Mai 2011

#servergate

Unter diesem Hashtag machte am vergangenen Freitag ein bemerkenswerter und vermutlich auch bislang einzigartiger Vorgang in der Twitter-Gemeinde die Runde:

In den Räumen der Fa. aixIT GmbH in Offenbach am Main fand eine Durchsuchung statt. Grundlage war ein entsprechender Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 19.05.2011, der neben der Durchsuchung die Beschlagnahme einer nicht näher definierten Anzahl von Festplatten unbekannter Speichergröße zur Domain "piratenpad.de" sowie den dort gespeicherten Daten zu einer bestimmten IP anordnete. Verantwortlicher Betreiber der besagten Domain: die Piratenpartei Deutschland. In Ausführung dieses Beschlusses waren Polizeibeamte am Freitag bei der aixIT GmbH aufgeschlagen und hatten sämtliche dort gehosteten Server der Piratenpartei - und nicht nur die, auf denen das Piratenpad läuft - vom Netz genommen.

Anlass für diese Aktion soll laut besagtem Durchsuchungsbeschluss ein Vorfall aus der Zeit vom 20. bis 23. April - also exakt einen Monat zuvor - sein, bei dem Unbekannte einen 14-stündigen sog. DDoS-Angriff auf die Website des französischen Elektrizitätsgesellschaft EDF gefahren haben sollen, in Folge dessen diverse Subdomains der Hauptseite für die Zeit des Angriffes nicht erreichbar gewesen sein sollen.

Durch "open-source-Recherchen" hätten die französischen Ermittler dann Hinweise auf die Seite "http://piratenpad.de" der Piratenpartei Deutschland erhalten, wo das Bundeskriminalamt Wiesbaden zahlreiche Links zu weiteren Seiten gesichtet habe mit Erläuterungen zur Gruppe der Angreifer, Darstellungen mit Aufforderungen zu weiteren solcher Angriffe auf andere Websites und Informationen zur EDF. Man vermutete nun auf dem Server "piratenpad.de" weitere Informationen, die u.a. zur Identifizierung der Tätern führen könnten.

Aufgrund einer unterstellten Flüchtigkeit von Daten im Internet und der daraus abgeleiteten Gefahr des Verlustes der für die französischen Ermittler eventuell wichtigen Daten sah es das Gericht zudem für erforderlich an, aufgrund eines lediglich angekündigten aber noch nicht vorliegenden justiziellen Rechtshilfeersuchens der französischen Behörden eine Vorabsicherung vorzunehmen und die Speichermedien zu beschlagnahmen. Abgerundet wurde das ganze mit dem Hinweis, dass in Deutschland keine rechtliche Verpflichtung eines Providers bestehe, eine solche Vorabsicherung ohne richterlichen Beschluss vorzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 habe ich für die Piratenpartei Deutschland Beschwerde gegen diesen Durchsuchungsbeschluss eingelegt mit dem Ziel, den Beschluss für unzulässig erklären, die Löschung der so gewonnenen Daten anordnen und die Rechtswidrigkeit des Beschlusses feststellen zu lassen.

Der gesamte Beschluss ist aus meiner Sicht schon deshalb ein starkes Stück, weil hier sehenden Auges ein Großteil der Kommunikations- und Arbeitsinfrastruktur einer Partei komplett lahmgelegt wurde, ohne dass sich das anordnende Gericht auch nur mit einem einzigen Satz mit dem besonderen Schutz, den Art. 21 GG Parteien und damit auch der Piratenpartei Deutschland gewährt, auseinandersetzt. Was für mich bedeutet: Das Amtsgericht Darmstadt hat sich vor bzw. bei Erlass des Beschlusses mit dieser Frage auch überhaupt nicht befasst. Dass sich diese Rechtsfrage indes aufdrängen musste, hat der Kollege Vetter in seinem Lawblog sehr gut dargestellt.

Was die Frage aufwirft: Was genau hat das Amtsgericht denn geprüft, bevor es den beantragten Beschluss erlassen hat? Hat es überhaupt etwas geprüft oder den Antrag im Vertrauen, dass das wohl alles seine Ordnung haben wird, unterschrieben?

Eine schlimme Vorstellung, aber der gesamte Beschluss lässt genau dies fürchten.

Schon der Umfang der angeordneten Beschlagnahme müsste im Rahmen einer Prüfung dem Gericht doch Anlass zum Nachdenken geben. Nach der Rechtsprechung muss eine Beschlagnahmeanordnung so genau formuliert sein, dass zweifelsfrei erkennbar ist, was beschlagnahmt werden soll. Eine nur allgemein gehaltene Anordnung wie z.B. „alle aufgefundenen Beweismittel“ reicht danach nicht aus. Der Beschluss des AG Darmstadt ist aber bedenklich allgemein gehalten, weil er anordnet, dass eine unbekannte Anzahl von Festplatten mit unbekannter Speichergröße beschlagnahmt werden sollen. Theoretisch lässt der Beschluss damit zu, dass die gesamte dort gehostete IT der Piratenpartei beschlagnahmt werden könnte.

In Folge dessen steht zu fürchten, dass es nun zu einem „Beschlagnahmeexzess“ gekommen ist.Was leider kein Einzelfall sein dürfte, über das gleiche Problem hatte ich schon einmal hier berichtet.

Bemerkenswert ist auch, mit welchem Selbstverständnis sich das Gericht über den Umstand hinwegsetzt, dass noch nicht einmal ein offizielles Rechtshilfeersuchen der französischen Behörden vorlag. In vorauseilendem Gehorsam konstruiert man eine Art Gefahr im Verzug und behauptet lapidar, die Daten seien im Netz flüchtig. Wohlgemerkt: Der Beschluss datiert fast taggenau einen Monate nach dem verfahrensgegenständlichen DDoS-Angriff! Aufgrund welcher konkreten Erkenntnisse man zu fürchten glaubt, gerade jetzt würden die Daten verschwinden, wird nicht erwähnt. Vermutlich, weil es sie nicht gibt. Auch hier drängen sich Zweifel auf, ob das Gericht seiner gesetzlichen Prüfungspflicht nachgekommen ist.

Zudem frage ich mich, warum man den Vorstand der Piratenpartei nicht um die gewünschten Daten gebeten hat. Erkennbar besteht weder gegen die Piratenpartei noch gegen die Mitglieder des Vorstandes der Verdacht, an den Attacken beteiligt gewesen zu sein. Als demokratische Partei mit den Kernzielen „Erhalt der Bürgerrechte und des Rechtsstaates“ kann die Partei auch nicht unter dem Generalverdacht stehen, sie stünde polizeilichen Ermittlungen derart negativ gegenüber, dass man diese gezielt behindern würde. Statt einer Erörterung dieses Problems findet sich sinnigerweise lediglich der Hinweis auf die in Deutschland fehlende Verpflichtung des Providers, ohne gerichtlichen Beschluss die begehrten Daten herausgzugeben.

Spätestens hier reibt sich jeder mit urheberrechtlichen Streitigkeiten nicht ganz unvertraute Jurist die Augen: In den Massenabmahnverfahren ist es an der Tagesordnung, dass Provider per einstweiliger Verfügung verpflichtet werden, IP-Daten nicht zu löschen sondern Wochen später aufgrund weiterer gerichtlicher Verpflichtung zusammen mit den angeblichen Inhaberdaten herauszugeben. Sollte tatsächlich den Staatsanwaltschaften verwehrt sein, was der Rechteverwerter tagtägliches und tausendfaches Brot ist? Ein einfacher Beschluss, der die Piratenpartei verpflichtet hätte, die besagten Daten nicht zu löschen und anschließend in aller Ruhe und ohne dass es des Abschaltens sämtlicher Server bedurft hätte herauszuverlangen, soll nach deutschem Recht nur rechteverwertenden Großkanzleien nicht aber den Staatsanwaltschaften möglich sein?

Es zeigt sich: Der Beschluss im wahrsten Sinne des Wortes "maßlos" und verstößt gegen das Übermaßverbot. Jede Ermittlungsmaßnahme muss im Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Die Ermittlungsbehörden durften nicht auf Millionen von Daten und Dateien zugreifen, nur um ein vorher wohl schon bekanntes Pad und die dazugehörigen Daten zu erhalten.

Oder hat man auch hier wieder auf "Zufallsfunde" spekuliert?

Dienstag, 10. Mai 2011

Die Sachlage war schwierig

Pflichtverteidigung, die zweite. Unlängst habe ich über meinen Beiordnungsantrag berichtet. Heute wurde die Verhandlung fortgesetzt und gleich zu Beginn der Beiordnungsbeschluss verkündet. Na also!

Montag, 2. Mai 2011

Mundschutz ist Schutzwaffe

In der jüngsten Zeit häufen sich Entscheidungen, in denen die Gerichte die Grenzen des Wortsinnes sehr deutlich ausloten und - jedenfalls nach meiner Auffassung - zum Teil auch klar überschreiten. Aktuelles Beispiel ist das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 11.04.2011 (Az.: 2 Ss 36/11, noch nicht veröffentlicht), das mein Büro-Kollege kassieren musste:
"Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Angeklagte beim Besuch des DFB-Fußballpokalspiels [...] bei der Personenkontrolle [...] einen schwarzen Mundschutz im Schuh bei sich, der von einem Ordner bei der Durchsuchung aufgefunden wurde. Nach der vom Amtsgericht weiterhin zugrunde gelegten Einlassung des Angeklagten habe er [...] allein für den Fall, dass es aufgrund von Fanrivalitäten zu Auseinandersetzungen gekommen wäre, eine Schutzmaßnahme ergreifen wollen. Ein Einsatz gegen Vollstreckungsbeamte sei hingegen nicht beabsichtigt gewesen. Der Vorteil -die Wirkung eines Schlages keineswegs dämpfenden- Mundschutzes liege allein darin, dass die Zähne nicht ausgeschlagen werden könnten."
Den auf Basis dieser Feststellungen erfolgten Freispruch des Amtsgerichts hat das Oberlandesgericht nun kassiert. Die Begründung unseres 2. Strafsenates ist ein sehr anschauliches (sorry, aber der Begriff "schön" verbietet sich hier) Beispiel, wie weit sich Strafgerichte von den Grenzen des Wortsinns entfernen können. So führt der Senat aus:
"Der von dem Angeklagten bei einer "sonstigen öffentlichen Veranstaltung" i. S. d. § 17a Abs. 1 VersG mitgeführte Mundschutz ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als Schutzwaffe im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Schutzwaffen im technischen Sinn sind nach ihrer Zweckbestimmung, ihren Konstruktionsmerkmalen oder ihren besonderen Eigenschaften von vornherein dazu bestimmt, dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu dienen. Dazu gehören vornehmlich Schutzschilde, Panzerungen sowie Schutzwaffen aus dem polizeilichen oder militärischen Bereich oder aus dem Bereich von Kampfsportarten. In der Mitführung solcher Schutzwaffen sieht der Gesetzgeber ein sicheres und ausreichendes Indiz für offenkundige Gewaltbereitschaft."
Besonders "gelungen" finde ich dann noch den Hinweis:
"Die vom Amtsgericht vorgenommene Differenzierung, dass sich der Mundschutz lediglich zur Vermeidung schwerer Zahlverletzungen eigne, nicht jedoch eine Dämpfung der Schläge erreiche und daher keine Schutzwaffe darstelle, findet im Gesetz keine Stütze."
Apropos Stütze im Gesetz finden. § 17 a Abs. 1 VersG liest sich wie folgt:
Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.
Dort ist die Rede von "Schutzwaffen", bzw. Gegenständen, die als "Schutzwaffen geeignet" sind. Nicht die Rede ist von Gegenständen, die "dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen dienen", wie es das OLG ausführt. Damit hat der Senat zunächst nur definiert, wie man den Worteil "Schutz" oder vielleicht sogar noch den Begriff "Schutzgegenstand" verstehen kann. Allerdings beinhaltet der Begriff noch den weiteren Worteil "Waffe". Nach dem Wortsinn des Gesetzestextes darf man auf Versammlungen also keine Waffe (!) oder solchen gleichstehende Gegenstände mitnehmen, die dem Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen dienen. Man mag mich kleinkariert nennen, aber eine etwas eingehendere Auseinandersetzung mit dem Waffenbegriff wäre hier angebracht gewesen.

Dazu hilft ein Blick ins Waffengesetz, dort § 1 Abs. 2:
Waffen sind
1.Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte Gegenstände und
2.tragbare Gegenstände,
a)die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen;
b)die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die in diesem Gesetz genannt sind.
Laut Wikipedia sind Waffen Mittel,
"die ein Lebewesen in einer Konfliktsituation seiner Handlungsfähigkeit und Unversehrtheit, sowohl psychisch als auch physisch, berauben können und deren Anwendung im Extremfall zum Tod des betroffenen Lebewesens führt. Die als Waffen eingesetzten Mittel können ebenso Güter beschädigen, zerstören oder in ihrer Gebrauchsfähigkeit einschränken. Waffen können weiterhin ein Mittel sein um eine Person durch Zwang (z. B. Drohung mit einer Waffe) ihrer Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zu berauben."
Von beiden Vorstellung des Waffenbegriffes ist der Mundschutz nicht nur nach meiner Auffassung sehr weit entfernt. Ich behaupte sogar, außer einigen hoch qualifizierten Strafjuristen wird kaum jemand einen Mundschutz mit einer Waffe oder dem Begriff "Schutzwaffe" in Verbindung bringen.

Nach meiner Überzeugung verstößt dieses Urteil gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Danach darf eine Bestrafung nur erfolgen, wenn die Tat bei ihrer Begehung unter Strafe gestellt war. Ein Täter soll erkennen können, dass sein Verhalten strafbar ist. Wer nicht zufällig die besagte Entscheidung kennt, wird indes auch wenn er § 17a VersG liest, zu keiner Zeit auf die Idee kommen, ein Mundschutz sei eine "Schutzwaffe" und sein Mitführen bei einer Versammlung strafbar.

Man wird sich also in Zukunft gut überlegen müssen, was man alles zu einer Versammlung mitninmmt. Verbandszeug wird da schon kritisch. Schließlich bandagiert man auch die Hände von Boxern, bevor die Handschuhe übergestreift werden, damit die Finger nicht so in Mitleidenschaft gezogen werden. Und dann ist der argumentative Schritt nicht mehr weit, Schutzwaffe sei alles, was Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren geeignet ist. So leicht, wie sich das OLG hier von der Beengung des Waffenbegriffes getrennt hat, lässt sich sicher auch der hier noch für notwendig gefundene Bezug des Gegenstandes zu Kampfsportarten aufgeben, zumal gerade der keinerlei Stütze im Gesetzestext findet.

Wie lange da die Regenjacke ihre versammlungsrechtliche Unschuld noch bewahrt?