Der Kollege Burhoff berichtet über den Fall Lucas: Ein Rechtsanwalt, der wegen Strafvereitelung angeklagt ist, weil er in der Revisionsbegründung von einem ausgeschlagenen Deal-Angebot der Strafkammer berichtete, die dieses aber bestritt. Da nach Ansicht des BGH der Verteidiger folglich die Unwahrheit gesagt haben muss, steht er nun selbst vor Gericht.
Egal, wie dieses Verfahren letztlich endet, ein Verdacht drängt sich auf: Die Versuche der Justiz, aktive Strafverteidiger zu disziplinieren, haben eine neue Qualität erreicht. Nicht einmal im Stammheimer Verfahren liefen die Kollegen Gefahr, wegen (ich drücke das jetzt mal vorsichtig aus) unterschiedlicher Wahrnehmungen in der oder vor der Hauptverhandlung strafrechtlich verfolgt zu werden. Wenn ich da an die vor ein paar Jahren aufgetauchten Tonmitschnitte denke: Das hätte sich ein Herr Schily angesichts des Falles Lucas vielleicht auch nicht mehr gewagt...
Die Folgen dieser neuen Einschüchterung sind nicht absehbar. Was darf ich als Verteidiger noch äußern, wenn ich grundsätzlich Gefahr laufe, durch einfaches Bestreiten des Gerichts ein Strafverfahren an den Hals zu bekommen, das mich im Verurteilungsfall leicht die Zulassung kosten kann? Welcher Verteidiger kennt ihn nicht, den Streit mit der Kammer über den Inhalt einer Zeugenaussage, die einige Verhandlungstage früher gemacht wurde? Und wie oft sind sich Verteidigung und Gericht jeweils einig über deren Inhalt, nur eben unter- und fast nie miteinander? Kann ich in solchen Fällen zukünftig im Interesse des Mandanten und der Wahrheitsfindung den Streit noch wagen?
Meines Erachtens steht in Augsburg nicht nur der Kollege Lucas vor Gericht. Denn: Kommt es zu einer Verurteilung, wird dies nicht als Maulkorb für aktive Verteidiger verstanden werden müssen? Steht dann aber nicht künftig jedes Strafurteil unter dem Verdacht, es sei nur deshalb zustande gekommen, weil kein Verteidiger mehr zu kämpfen wagt? Ob das das Vertrauen in den Rechtsstaat wirklich stärkt?
Gegen solche Mittel der Strafjustiz ist wohl nur noch ein Kraut gewachsen: Der vollständige Videomitschnitt der gesamten Verhandlung. Und deren Verwertbarkeit auch und gerade im Revisionsverfahren. Für Transparenz, Klarheit und den Erhalt eines rechtsstaatlichen Verfahrens!
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