Ermittlungsakten bergen immer wieder Überraschungen. Hier begann es schon mit dem Umfang:
Die Anklage warf meinem Mandanten vor, in 22 Fällen mit einer Kreditkarte gezahlt zu haben, obwohl sie ihm dummerweise ebenso wenig gehörte, wie das Konto, von dem die Einzüge dann erfolgten. Auf der Geschäftsstelle drückte man mir dann zu meinem Erstaunen einen einzigen Aktenband mit rund 120 Blatt Inhalt in die Hand. Nicht gerade üppig für die Menge an Vorwürfen. Das versprach spannende Lektüre, da pro Fall durchschnittlich weniger als sechs Seiten Akteninhalt zur Verfügung stand.
Die Akte begann mit dem letzten, dem 22. der angeklagten Fälle, bei dem es dann nicht mehr geklappt hatte. Um den ging es dann auch noch, als ich das letzte Blatt in Händen hielt. Die übrigen Fälle: Fehlanzeige. Nur einige wenige Hinweise auf andere Fälle, in denen mit derselben Karte gezahlt worden war. Und eine Zeugenaussage, nach der mein Mandant bei dem letzten Fall lediglich mit dem Auto vor dem Baumarkt wartete.
Es stand also eine kurze Verhandlung zu erwarten, da ich mit Teilakteneinsicht nicht verhandeln kann und eine Vertagung erwarten durfte. Mein entsprechender Hinweis zu Beginn der Verhandlung führte dann aber zu einer weiteren Überraschung: Nein, wurde mir versichert, mir fehlten keine Aktenteile, die Akte sei vollständig. Wie sich auf diesen Erkenntnissen die doch umfangreiche Anklage erkläre? Nun, darüber wollte man ohnehin vorab mit mir reden. Man beabsichtige, im Fall eines Geständnisse zum 22. Fall die 21 nicht so ganz nachvollziehbaren Anklagepunkte gemäß § 154 II StPO einzustellen. Nur noch eingeschränkt überraschend war die zusätzliche Bereitschaft des Gerichtes, auch bei der auszuwerfenden Geldstrafe im sehr niedrigen Bereich zu bleiben, trotz nicht unerheblicher Vorstrafen. Den Mandanten hat’s gefreut. Und ich überrascht, wie schnell ich wieder zurück am Schreibtisch war.
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