Mittwoch, 22. September 2010

Wie viele Richter kommen auf einen Anwalt?

Hin und wieder stößt man bei der Lektüre veröffentlichter Entscheidungen auch auf solche, bei denen schon die Überschrift Neugierde weckt. So geschehen bei einer unlängst veröffentlichten Revisions-Entscheidung des BGH (http://www.juris.de/jportal/portal/page/anwaltsletter.psml?id=ANWL100800120): In einem wegen komplexen Rechtsbeugungsvorwüfen umfangreichen und schwierigen Strafverfahren ist die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters unerlässlich. Das von nur zwei Berufsrichtern erlassene Urteil hob er deshalb wegen fehlerhafter Besetzung der großen Strafkammer auf. Nun darf das LG Potsdam noch einmal über den Fall entscheiden.

Wann war eigentlich meine letzte Verhandlung vor einer voll besetzten Strafkammer? Das liegt jedenfalls geraume Zeit zurück und war in einem wirklich sehr umfangreichen Verfahren, mit vielen tausend Seiten Ermittlungsakte und nicht weniger abgehörten Telefonaten. Was zur nächsten Frage führt: Wann ist denn ein Verfahren so umfangreich und schwierig, dass es nur in voller Strafkammer-Besetzung verhandelt werden darf?

Im hier entschiedenen Fall betrug der Umfang der beigezogenen Verfahrensakten (des vorangegangenen Verfahrens, in dem die Rechtsbeugung stattgefunden haben soll) alleine „mehr als 7.000 Seiten“. Im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung belief sich der Umfang der Leitakte bereits auf mehr als 900 Seiten. Die Kammer plante ursprünglich 6 Hauptverhandlungstage mit 13 Zeugen ein.

Will heißen: Bei Verfahren mit einem Aktenumfang von 8.000 Seiten bei geschätzten 6 Hauptverhandlungstagen und 13 Zeugen ist davon auszugehen, dass es nicht mehr von nur zwei Berufsrichtern gestemmt werden kann. Da muss ich mir doch gleich mal meine zum Landgericht angeklagten Verfahren genauer anschauen.

Wie ist das eigentlich auf Seiten der Verteidigung? Landgerichtliche Verfahren dürfen nicht ohne Verteidiger verhandelt werden, § 140 I Nr. 1 StPO. Ist in solchen Fällen dann die Mitwirkung nur eines einzigen Verteidigers ausreichend? Gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit dann nicht konsequenter Weise ggf. die die Beiordnung eines zweiten Verteidigers?

Ich muss dann mal weg, einen Antrag vorbereiten…

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